14. Februar 2008

Von Yangshuo über Longsheng nach Kanton

92. Tag – 01.04.2006

Heute erwartete uns ein weiterer Höhepunkt unserer China-Reise. Eine der schönsten Landschaften Chinas konnten wir während einer 4-stündigen Schiffsfahrt auf dem Li-Fluss bewundern. Die Fahrt führte vorbei an bizarr geformten Bergen einer beeindruckenden Kaarst-Landschaft, wie es sie sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Seit Jahrhunderten inspirierte diese Landschaft chinesische Künstler zu geheimnisvoll wirkenden Bildern; eine Bergkette ziert sogar den 20-Yuan-Schein. Unterwegs wurde das Schiff von fliegenden Händlern auf Bambusflößen „geentert“, die ihre Waren an die Passagiere verkaufen wollten. Die Andockmanöver sahen ziemlich gefährlich aus und die Verkaufsverhandlungen waren auch nicht so richtig erfolgreich. Da das Wetter so schön war – kein Regen, der Zimtschnaps von gestern hat wohl geholfen – verbrachten wir fast die ganze Zeit auf dem Oberdeck, um die schöne Landschaft zu genießen.
Die Fahrt endete in Yangshuo, einer kleinen Stadt, die seit einigen Jahren vor allen bei Backpackern sehr beliebt ist. Die Stadt liegt sehr idyllisch, direkt am Li-Fluss, umgeben von zahlreichen Kaarstkegeln. Vom Anlegeplatz des Schiffes gingen wir zu Fuß in Richtung Hotel, dem New Century Hotel. Dabei überquerten wir einen der größten sogenannten „Hello“-Märkte Chinas. Wir ließen uns aber nicht von den „Hello, hello my friend“-Rufen der Händler aufhalten, schließlich sollen wir in den nächsten Tagen noch genug Zeit zum Einkaufen haben. Unterwegs versuchten wir die Gelegenheit zu nutzen, um Geld an einem Automaten abzuheben, die in China immer noch selten sind. Wir brauchten dafür mehrere Anläufe. Einige chinesische Banken nutzen 6-stellige Geheimzahlen; wir haben aber nun mal nur 4-stellige. Manchmal klappt es zwar mit zwei Nullen am Anfang, manchmal aber auch nicht.

Den Nachmittag nutzten wir zum Schlafen und ließen die vergangenen Tage Revue passieren. Zum Abendessen gingen wir in die Xian Qian Street im Zentrum, in der es viele Hostels, Restaurants und Anbieter für Freizeitaktivitäten wie Radfahren, Felsklettern etc. gibt. Beim Abendessen vermissten wir zum ersten Mal den runden, drehbaren Tisch mit den vielen verschiedenen Gerichten. Es hat aber trotzdem geschmeckt.

93. Tag – 02.04.2006

Den Vormittag unseres „freien“ Tags nutzten wir wie die meisten der Gruppe für eine Radtour. Abseits der großen Straßen ging es mit Leihrädern und einer einheimischen Führerin durch die wunderschöne Landschaft um Yangshuo. Unterwegs trafen wir auf viele Kinder und Frauen, die Blumenkränze verkauften. Die Wege waren zwar etwas schlammig, aber es machte sehr viel Spaß. Endlich mal wieder ein bisschen sportliche Betätigung.
Vor dem Mittagessen erkundete Lothar noch ein bisschen die Gegend. Herr Han hatte gemeint, besonders Wagemutige sollten sich doch mal die nahe gelegene Markthalle etwas genauer anschauen. Hinten links gäbe es etwas Besonderes zu sehen. Und tatsächlich dort hing auch eine besondere Delikatesse, ein chinesische zumindest: Hund! Bereits
geschlachtet und gehäutet. Als Beweis wurde schnell ein Foto geschossen und dann nix wie raus (das Foto werden wir übrigens nicht ins Internet stellen). Eigentlich nicht die richtige Einstimmung für das Mittagessen. Doch ein Teil der Gruppe war heute zum „Bierfischessen“ verabredet. Bierfisch ist eine Spezialität der Region, von der Herr Han uns vorgeschwärmt hatte. Er führte uns in ein kleines Restaurant, dass hauptsächlich von Einheimischen besucht war. Der Bierfisch war zwar ganz lecker, wird aber zerhackt und inkl. Gräten serviert, was wir nicht so toll fanden.

Den Nachmittag verbrachten wir mit der Jagd nach Souvenirs. Berühmt ist der ‚Hello’-Markt vor allem für die billige Markenwaren – teilweise sehr gut gefälscht. Liegt wohl daran, dass die meisten Markenhersteller in China produzieren lassen und das Kopieren dann ziemlich einfach ist. Besonders Lothar hatte viel Spaß beim Handeln. Für Chinesen gehört handeln zum Geschäft und wer nicht handelt, verdirbt ihnen auch den Spaß. In einem Café mit romantischem Flussblick trafen wir dann auf ein paar Jungs aus der Gruppe, die hier ihr Nachmittagsbierchen genossen und über den Sinn des Lebens philosophierten. Unser Weg führte uns auch an mehreren Zahnarztpraxen vorbei, die direkt an der Hauptstraße gelegen und mit großen Schaufenstern ausgestattet waren. Sozusagen die gläserne Zahnarztpraxis.
Abends besuchten wir die Show „Impressionen Liu Sanjie“, die von dem bekannten chinesischen Regisseur Zhang Yimou entworfen wurde. Bis zu 800 Akteure gleichzeitig bieten eine Show aus Gesang, Tanz und Licht vor der fantastischen Kulisse des Li-Flusses und der Kaarst-Berge. Ein Großteil der Show spielte auf dem Wasser. Die Akteure waren auf traditionellen Bambusflössen unterwegs. Leider haben wir festgestellt, dass Chinesen immer und überall laut quatschen, selbst bei der besten Show!.

94. Tag – 03.04.2006

Morgens ging es zunächst zurück nach Guilin, wo wir einen sehr kurzen Spaziergang durch die Parkanlage am südlichen Stadttor unternahmen. Interessant war es wieder, den Einheimischen bei ihrem Frühsport zuzusehen. Der Besuch des Parks war übrigens bei unserem ersten Besuch in Guilin ausgefallen (zu starker Regen) und unser lokaler Reiseleiter bestand darauf diesen nachzuholen – Programm ist Programm!

Anschließend besuchten wir die berühmte Tropfsteinhöhle Ludi Yan (Schilfrohrflöten-Höhle). Durch die farbigen Lichteffekte wirken die Höhlen noch dramatischer. Die einzelnen Formationen aus Stalaktiten und Stalagmiten haben malerische Namen, wie z.B. „Löwen in Ruhe beim Sonnenuntergang“. Es gibt sogar einen künstlich angelegten See, ca. 3 cm tief, in dem sich die Lichter spiegeln und den Eindruck einer Skyline erwecken.

Unser Tagesziel heute war Longsheng, die Heimat Yao-Minderheit. Besonders auffallend bei den Frauen dieser Volksgruppe ist ihre Haarpracht. Die Haare sind teilweise länger als die Körpergröße und zeigen je nach Frisur, ob die Frau ledig oder verheiratet ist, ob sie Kinder hat usw. Nach einer teilweise abenteuerlichen dreistündigen Busfahrt, kamen wir am Parkplatz an. Wir wurden schon von ein paar Frauen mit Kiepen erwartet, die für ein paar Rimbin unsere Rucksäcke tragen wollten. Uns erwartete eine Wanderung in die Berge, übernachten würden wir in einem Berggasthof. Nach kurzer Zeit kamen wir zunächst ins Dorf und besuchten die neugebaute Schule. Der Bau wurde mit Geldern von unserem Reiseveranstalter China-Tours aus Hamburg unterstützt. Es war gerade Pause und wir konnten ein Blick in die Klassenzimmer werfen. Alles sehr einfach, aber wir hatten den Eindruck, dass die Kinder sehr stolz auf ihre Schule waren.
Über schmale Pfade ging es dann tiefer in die Berge. Für uns eine sehr schöne Abwechslung, wir fühlten uns an unsere Alpenwanderungen erinnert und genossen die beeindruckende Landschaft. Die Reisterrassen von Longsheng sind weltberühmt und wurden in jahrhunderte langer Arbeit erschaffen. Für Einige aus der Gruppe war die Tour aber schon sehr anstrengend. Waltraud musste auf halbe Strecke die Hilfe zweier starker Männer inkl. Sänfte in Anspruche nehmen. Nicht schlecht dachten wir uns, machen wir beim nächsten Mal auch so. Schließlich kamen wir alle oben an und konnten den herrlichen Blick von der Gasthofterasse auf die umliegenden Berge genießen. Die Yao-Frauen,die uns begleitet hatte, wollten auch gleich ihre Handarbeiten verkaufen. Christina machte den Fehler, Interesse zu zeigen und wurde von allen regelrecht belagert.
Zum Abendessen gab es dann eine Spezialität, die laut Herrn Han sehr teuer ist, auf die wir aber gut hätten verzichten können. Aus der Hühnersuppe schaute uns ein Hühnerbein inkl. Fuß an. Anschließend saßen wir mit unseren beiden Reiseleitern gemütlich zusammen. Es wurde viel gesungen und gelacht – ein echt toller Abend.

95. Tag – 04.04.2006

Da wir heute unbedingt den Sonnenaufgang beobachten wollten, quälten wir uns, obwohl es gestern ziemlich spät geworden war, früh aus den Betten. Lothar hatte sich eine Erkältung eingefangen und sah entsprechend aus. Leider lag Nebel über dem gesamten Tal und man konnte so gut wie nichts erkennen. Zum Frühstück war dann die gesamte Truppe versammelt – nur unser lokaler Reiseleiter fehlte. Der hatte gestern wohl etwas zu heftig gefeiert.

Auf dem Weg ins Tal begleiteten uns wieder die Yao-Frauen. Es war wirklich schön, durch die idyllische, friedliche Landschaft zu wandern. Am Parkplatz angekommen sollten wir zum Abschied noch etwas Besonderes geboten bekommen. Die Yao-Frauen ließen – wie einst Rapunzel - ihr Haar herunter. Wirklich beeindruckend, wie lang diese waren. Die Yao-Frauen sammeln die Haare die ihnen ausfallen, binden diese zu Zöpfen und flechten diese in ihre Frisur ein.

Über abenteuerliche Bergstraßen ging es dann mit dem Bus zum Flughafen von Guilin. Von dort flogen wir weiter nach Guangzhou (Kanton).

96. Tag – 05.04.2006

Guangzhou (Kanton) ist die Hauptstadt der Provinz Guandong in Süden Chinas und mit ca. 9,5 Mio. Einwohnern eine der größten Städte Chinas. Die Stadt liegt am Perlfluss und hat eine lange Geschichte als Handelsplatz. Heute ist Guangzhou eine der wichtigsten und modernsten Wirtschaftsmetropolen Chinas. Am Vormittag würden wir einige der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigen, die Grabanlage des zweiten Nanyue-Königs und den Ahnentempel der Familie Chen.

Bei Ausschachtungsarbeiten für ein Hotel wurde 1983 das Grab des zweiten Nanyue-Königs Zhao Mo aus dem 2. Jh. v. Chr. entdeckt. Man fand das traditionell in Nord-Südausrichtung angelegte, aus sieben Kammern bestehende Königsgrab in ca. 20 m Tiefe. Der König wurde in der mittleren Kammer bestattet, im östlichen Nebenraum fand man Leichen von vier Konkubinen und im westlichen Nebenraum die von mehreren Köchen, Musikern und weiteren Dienern. Die Grabanlage ist gut erhalten und für Besucher begehbar. Die kostbaren Grabbeigaben, z. B. Jadeschnitzereien, Bronzegefäße, Musikinstrumente, Waffen und das Siegel des Königs können im Museum besichtigt werden, dass über der Grabanlage errichtet wurde. Dort kann man auch die Jacke des Königs aus Jadeplättchen und die Jadescheiben bewundern, die den toten König bedeckten.

Mit der U-Bahn fuhren wir dann zum Ahnentempel der Familie Chen im Westen der Stadt. Der Ahnentempel wurde im 19. Jh. mit Spendengeldern errichtet, die von allen Einwohnern der Stadt mit Namen „Chen“ gesammelt wurden. Der Tempel war weder Buddha noch einem daoistischen Gott geweiht, er diente ausschließlich zur Verehrung der Ahnen des Familienklans und zur Ausbildung von Angehörigen des Klans. Die aus neun Hallen und sechs Höfen bestehende traditionelle Anlage hat die Kulturrevolution weitgehend unbeschadet überstanden und beherbergt heute Ausstellungen des Kunsthandwerkes, z. B. beeindruckende, wie gemalt aussehende Bilder mit Seidenstickerei.


Beim anschließenden Stadtbummel entdeckten wir zahlreiche Märkte, auf denen u. a. Haustiere , chinesische Medizin, illegale Tigerkrallen aus Tibet, Tiere zum Essen und vieles mehr angeboten wurde. Teilweise nix für schwache Nerven.

Da wir uns heute von unserem Reiseleiter Herr Han verabschieden mussten, hatte dieser sich was Besonderes einfallen lassen. Kanton ist berühmt-berüchtigt für seine Küche, die sehr vielfältig und wohlschmeckend ist, aber für Europäer teilweise gewöhnungsbedürftige Gerichte beinhaltet, unter anderem werden auch Hunde und Schlangen verzehrt. In China sagt man übrigens: „Die Kantonesen essen alles was schwimmt, fliegt oder vier Beine hat, außer U-Booten, Flugzeugen und Tischen.“

Wir gingen also heute zum Abschiedsessen in ein berühmt, berüchtigtes Restaurant, das im Erdgeschoß eine „Frischwarenabteilung“ beherbergt. Die Gäste wählen aus dem noch
lebendigen Angebot wie Krokodilen, Schlangen, Kröten, Schildkröten, was ihnen später im Restaurant serviert wird. Frische ist jedenfalls garantiert. Das Essen war jedenfalls sehr gut und Woijech trug unser Abschiedsgedicht vor, das wir auf unserm Hüttenabend in Longsheng gedichtet hatten. Herr Han hat sich sehr gefreut und war wirklich gerührt. Wir waren alle sehr traurig, dass Herr Han uns nicht auch in Hongkong begleiten konnte, aber die sehr restriktiven chinesischen Einreisebestimmungen lassen das nicht zu.

Noch mehr Bilder gibt´s in unserem Webalbum.