Edelsteinbetrug in Bangkok
102. Tag –
Die Planung für die nächsten Tage sah wie folgt aus: zunächst zwei Tage Bangkok und danach drei Tage Kurzurlaub auf Phuket, den hatten wir uns nach der anstrengenden China-Reise auch verdient. Wir gönnten uns erstmal ein reichhaltiges Frühstück in einem deutschen Restaurant gegenüber von unserem Hotel. Wir waren gespannt darauf, eine neue Stadt und Kultur kennenzulernen und konnten nicht ahnen, dass dies heute der schwärzeste Tag unserer Weltreise sein würde.
Bangkok ist seit 1782 Hauptstadt des Königreiches Thailand und mit 6 Mio. Einwohnern die größte Stadt des Landes. Der offizielle Name der Stadt lautet „Krung Thep Mahanakhon Amon Rattanakosin Mahinthara Ayuthaya Mahadilok Phop Noppharat Ratchathani Burirom Udomratchaniwet Mahasathan Amon Piman Awatan Sathit Sakkathattiya Witsanukam Prasit“. Von den Thailändern wird die Stadt kurz „Krung Thep“, übersetzt „Stadt der Engel“, genannt. Eine der wichtigsten Verkehrsadern Bangkoks ist der Maenam Chao Phraya Fluss mit seinen vielen Kanälen. Direkt am Fluss liegen auch einige der größten Sehenswürdigkeiten Bangkoks, wie Grand Palace, Wat Pho und Wat Phra Kaew, die heute unser Ziel waren.
Zunächst fuhren wir mit dem Skytrain zur Saphan Taksin Station direkt am Chao Phraya. Dort kauften wir einen Bootspass für den ganzen Tag. Boote sind die schnellsten Fortbewegungsmittel in Bangkok, da die Straßen ständig durch Staus verstopft sind. An der Tha Tien Station stiegen wir aus, kauften uns ein paar Bananen und wollten uns noch mal auf unserem Stadtplan orientierten. Wir hatten ihn noch nicht ganz auseinandergefaltet, da wurden wir auch schon von einem netten, älteren Thai angesprochen. Er empfahl uns, die geplante Tagestour erst morgen zu machen, da dann im Wat Pho (eine berühmte Tempelanlage mit einem riesigen liegenden Buddha), eine Reinigungszeremonie der Mönche zu sehen sei. Heute sollten wir lieber eine Tour abseits der Touristenpfade zum Happy Buddha und zum Black Buddha unternehmen. Für 40 Baht (also rund 1 Euro) könnten wir für die ganze Rundfahrt ein Tuk-Tuk mieten. Tuk-Tuks sind Motorradrikschas, die zum Straßenbild von Bangkok einfach dazu gehören. Klang eigentlich alles ganz vielversprechend. Er organisierte sogar noch einen Tuk-Tuk-Fahrer für uns. Wir waren wirklich sehr angetan von soviel Hilfsbereitschaft.
Kaum waren wir losgefahren, fing das Tuk-Tuk an langsamer zu werden. Der Fahrer hielt einen Kollegen an, der uns dann abschleppte. Ziel war die nächste Tankstelle, anscheinend kein Benzin mehr. Na ja, kann passieren. Allerdings hörte unser Verständnis auf, als der Fahrer uns dann nach 100 Baht für das Benzin fragte. Die ganze Tour sollte 40 Baht kosten und er pumpt uns gleich zu Beginn um 100 an? Jedenfalls lehnten wir ab und verabschiedeten uns. Der Fahrer schimpfte uns ziemlich laut auf Thai hinterher. Wir verstanden zwar nicht, aber es schien nichts Freundliches zu sein – und auf einmal hatte er dann doch irgendwoher Geld fürs Benzin.
Uns fehlte ein wenig die Orientierung und wir dachten, es sei am besten den Fluss wiederzufinden. Wir bummelten durch die Straßen und wurden nach kurzer Zeit wieder von einem sehr hilfreichen Thai angesprochen. Er organisierte uns ein Tuk-Tuk und nach ein paar Minuten erreichten wir unser erstes Ziel, den „Happy Buddha“. Er war ziemlich groß und sah wirklich sehr glücklich aus. Wie die Einheimischen kauften wir ein paar „Groschen“, die wir in eine Reihe von Gefäßen warfen, um damit um Glück zu bitten. Half aber nichts, wie sich später rausstellte.
Weiter ging es zum „Lucky Buddha“, der versteckt in einem Wohnviertel lag. Den hätten wir alleine wirklich nicht gefunden. Auf dem Weg zu unserer letzten Station, dem „Black Buddha“, legte unser Tuk-Tuk-Fahrer einen ungebetenen Stopp bei einem Schneider ein. Wir trugen es mit Fassung. Der Fahrer bekommt für jeden Kunden, den er anbringt, eine kleine Provision. Inzwischen war es schon später Nachmittag. Beim „Black Buddha“ waren ebenfalls sehr wenige Touristen, aber Andy wartete schon auf uns. Zufällig kamen wir ins Gespräch mit ihm. Er erzählte, dass er aus Malaysia käme, jetzt aber in London leben würde. Er unterhielt sich mit Lothar angeregt über deutschen Fußball im Allgemeinen und die Eintracht im Speziellen. Lothar war schwer beeindruckt. Beiläufig erzählte er uns auch, dass er bei seinen Zwischenstopps in Bangkok immer günstig Saphirschmuck kaufen und diesen dann für das Doppelte in London wieder verkaufen würde. Auch heute hätte er wieder Schmuckstücke im Wert von rund 1.000 € in dem seriösen Geschäft PIYAMANEE gekauft. Er zeigte uns sogar seine Rechnung und das Echtheitszertifikat. Allerdings sei das Geschäft nur heute wegen einer Messe für Privatpersonen offen, sonst nur für Händler. Unsere Chance quasi. Er gab uns noch seine Email-Adresse, wir sollten uns doch mal melden, wenn wir zurück in Deutschland sind. Dem Tuk-Tuk-Fahrer gab er die Adresse des Ladens. Zum Abschied wollten wir noch ein Foto von unserem neuen Freund Andy machen, aber leider musste er aus religiösen Gründen ablehnen.
Von außen war PIYAMANEE nicht als Juwelier zur erkennen, es gab keine Schaufenster, nur ein großes Schild mit dem Firmennamen über der Tür. Der Laden wirkte wirklich seriös, adrett gekleidete Verkäufer, eher nüchterne Atmosphäre. Man präsentierte uns den Schmuck und überzeugte uns schnell, ein paar schlichte Saphirohrringe – wie von Andy empfohlen – für etwa 500 Euro zu kaufen. Da es bei Barzahlung noch ein Nachlass von 10% gab (das kannten wir schon von Hongkong), wollten wir zum Geldautomaten und mit der Kreditkarte Geld abheben. Ein Angestellter begleitete uns sogar zur Sicherheit. Wir holten also das Geld und unterschrieben den Kaufvertrag. Der Verkäufer empfahl uns, den Schmuck per Kurier nach Hause zu schicken, damit er nicht gestohlen wird. Man brachte uns zu einem Postkurierdienst und unser Schmuck machte sich auf die Reise. Toller Service, dachten wir noch. Zufrieden mit dem guten Geschäft machten wir uns Weg ins Hotel. Heute hatten wir wirklich viele nette und hilfreiche Menschen getroffen.
Nach dem Essen wollte Lothar herausfinden, ob irgendwo in den Kneipen das DFB-Halbfinale Eintracht gegen Bielefeld übertragen wird. Erfolglos, überall läuft nur die blöde Premier League. Etwas enttäuscht kam er zurück und traf auf eine ziemlich aufgelöste Andrea. Die hatte die Zeit genutzt, um endlich genauer im Lonely Planet über Bangkok nachzulesen. In der Rubrik „Gefahren und Ärgernisse“ wurde vor dem berüchtigten „Gem Scam“, also Edelsteinbetrug, gewarnt. Einiges aus der Beschreibung kam ihr sehr bekannt vor und sie glaubte, dass wir genau auf so einen Betrug heute hereingefallen sind. Lothar konnte nicht recht daran glauben, dass sein Eintracht-Freund Andy ihm so etwas antun würde. Wir gingen ins Internetcafé, um zu recherchieren – und wurden leider schnell fündig. Ein Amerikaner beschrieb in seinem Bericht – mit nur kleinen Abweichungen – unsere Tagestour, die auch im PIYAMANEE endete. Zu Hause angekommen, stellte er dann fest, dass der gekaufte Schmuck wertlos war.
Je länger wir im Internet suchten, umso mehr Hinweise fanden wir auf diesen Trickbetrug und Dinge die man auf gar keinen Fall machen sollte, z.B. den Schmuck mit der Post außer Landes schicken oder bar bezahlen. Unser Verhängnis begann jedenfalls, als wir am Morgen von dem hilfreichen älteren Thai angesprochen wurden. Wie bei der Masche üblich, fragte er uns auf nette Art aus, woher wir kämen, wie lange wir Bangkok besuchen würden, etc. Den leichtgläubigen Touristen wird dann erzählt, dass ihr Ausflugsziel aus irgendwelchen Gründen geschlossen ist und eine interessante Alternative wird angeboten. Mit einem Tuk-Tuk kann man diese Tour sehr günstig unternehmen. Während der Tuk-Tuk-Fahrer einen durch die Gegend kutschiert, nutzt die Bande die Zeit, um einen adäquaten Lockvogel entsprechend den Informationen des ersten Kontaktmannes zu organisieren. Am Ende der Tour wartet dann die für den Schwindel wichtigste Person auf die Touristen, in unserem Fall Andy. Über Gesprächsthemen wie z.B. Fußball wird Vertrauen aufgebaut, um dann ganz beiläufig das Thema Schmuckkauf zu erwähnen. Eine einmalige Chance wird suggeriert, nur heute kann man ein Supergeschäft machen. In der Regel siegt die dann die Gier über den gesunden Menschenverstand. Das die Email-Adresse von Andy nur gefaket und Andys Abneigung gegen Fotos nicht religiös bedingt waren, brauchen nicht zu erwähnen.
Sehr frustriert und bedrückt gingen wir schlafen. Warum waren wir nur so blöd gewesen?
103. Tag –
Am Morgen fanden wir einen Zettel vom Portier, dass die Eintracht gewonnen hat. Die Eintracht nach fast zwei Jahrzehnten wieder in einem Pokal-Endspiel, der Tag fing ja gut an. Gestern Abend waren wir noch sehr niedergeschlagen, aber für heute hatten wir uns vorgenommen, um unser Recht und unser Geld zu kämpfen.
Erster Schritt: wir mussten versuchen, das Päckchen mit dem Schmuck abzufangen. Also gingen wir zur nächsten Poststelle. Wir erhielten die Standardaussage, dass das Flugzeug schon weg wäre. Erst auf unsere Frage, wie man das Päckchen postlagernd wieder zurück nach Bangkok schicken könnte, setze sich der Postbeamte in Bewegung und telefonierte mit dem Flughafen. Die Klärung dauerte ca. 1,5 h und auf einmal war unser Päckchen doch noch da. Wir wollten das Päckchen heute noch selber am Frachtzentrum des Flughafens abholen. Der Postmensch schrieb uns die genaue Adresse in Thai auf und wir nahmen ein Taxi. Leider hat es der Taxifahrer trotzdem nicht kapiert und wir landeten zunächst am Postschalter des Passagierterminals. Wir nahmen dann den Flughafenbus zum Frachtzentrum. Die anderen Insassen (Flughafenpersonal) schauten schon ziemlich komisch und fragten sich wohl, was genau wir hier wollten. Letztendlich hatten wir unser Päckchen in den Händen und machten uns auf den Rückweg – mit Flughafenbus zum Terminal, vom Terminal mit Taxi zur deutschen Botschaft (ebenfalls ein Rat aus dem Internet).
Da die offizielle Öffnungszeit für heute bereits vorbei war, wollte man uns nicht reinlassen. Wegen des thailändischen Neujahrsfestes Songkran würde die Botschaft auch die nächsten vier Tage geschlossen bleiben. Solange wollten wir aber nicht warten und blieben hartnäckig. Nach kleiner Diskussion mit Hinweisen auf unsere Rechte als deutsche Staatsbürger, die Hilfe brauchen, wurden wir auch rein gelassen. Eine sehr freundliche Dame hörte sich unsere Geschichte an und war überrascht, dass wir es geschafft hatten, das Päckchen wiederzubekommen. Sie gab uns ein Merkblatt und die Empfehlung, uns an die thailändische Touristenpolizei zu wenden. Sie machte uns aber wenig Hoffnung. Mit dem Taxi fuhren wir zum „Ministerium für Tourismus und Sport“, wo auch laut Merkblatt die Touristenpolizei sitzt. Die nette Thai-Dame am Empfang erklärte uns, die Touristenpolizei sei seit ein paar Monaten umgezogen (wahrscheinlich mussten die Personal aufbauen und brauchten mehr Platz, wegen der vielen Beschwerden von Touristen). Jedenfalls ist die Touristenpolizei jetzt am anderen Ende der Stadt. Toll, soviel zur Aktualität der Hinweise der deutschen Botschaft. Wir haben wohl ziemlich enttäuscht geschaut. Sie griff noch mal zum Telefon und fand heraus, dass uns eventuell die Customer Protection Unit (CPU) helfen könnte, nur ca. 5 Minuten Fußweg entfernt. Also machten wir uns auf den Weg. Der Wachmann am Eingangstor erklärte uns, dass er die CPU nicht kennt und wollte uns nicht reinlassen. Wir blieben wieder hartnäckig und sagten ihm, dass wir zurück zum Ministerium gehen und uns von der Empfangsdame Telefonnummer und Namen ihres Bekannten bei der CPU geben lassen würden. Jetzt kam er doch in Bewegung und machte einen Anruf. Scheinbar darf man sich von unkooperativen Verhalten nicht abschrecken lassen und muss penetrant bleiben. Die thailändischen Beamten, mit denen wir heute zu tun hatten, kamen immer erst in Bewegung, wenn sie merkten, dass wir uns nicht abwimmeln lassen würden. Jedenfalls ließ uns der Wachmann nun rein und sagte uns, wo wir hingehen sollten.
Wir schilderten unseren Fall. Der Beamte rief bei diesem Betrügerladen PIYAMANEE an und handelte folgendes aus: wenn wir die Ohrringe zurückgeben würden, bekämen wir 80% des Kaufpreises wieder, wie im Kaufvertrag zugesichert. Auf eine Anzeige bei der Touristenpolizei müssten wir dann allerdings verzichten. Wäre wahrscheinlich sowieso ziemlich erfolglos gewesen. Das Problem ist nämlich, dass die Steine – wie im Zertifikat bestätigt – zwar echt, aber aufgrund der Qualität nahezu wertlos sind. Auf jeden Fall sind sie bei weiten nicht das wert, was man bezahlt hat. Wir schluckten die Kröte und stimmten dem Deal zu. Besser als gar nichts. Wir verfassten zumindest eine Beschwerde bei der CPU, sind aber nicht sehr optimistisch, dass das irgendetwas nützt. Es fehlt einfach der Willen seitens der Behörden, etwas gegen die Verantwortlichen dieser Betrugsmasche zu unternehmen. Wahrscheinlich werden viele Beamte sogar von diesen Betrügern geschmiert.
Trotz eines flauen Gefühls – wer weiß wozu diese Gangster bei PIYAMANEE noch fähig sind – wollten wir zu diesem Laden und unser Geld wiederholen. Nach einer halben Ewigkeit hielt endlich ein Taxi. Scheinbar waren schon alle Taxifahrer unterwegs in den Songkran-Urlaub. Der Fahrer kam uns zwar etwas halbseiden vor, begleitete uns aber in den Laden. Wir bekamen unser Geld wieder und warnten – sehr zum Ärger der Verkäufer – ein anderes Touristenpärchen vor diesem Gangsterladen. Mit dem Taxi ging es zurück zum Hotel. Seitdem er das ganze Geld im Geschäft gesehen hatte, kam uns der Taxifahrer noch komischer vor. Wahrscheinlich waren wir einfach zu misstrauisch und interpretierten zuviel in sein Verhalten rein. Wir hatten einen Teil unseres Glaubens an das Gute im Menschen verloren.
Nach den ganzen Anstrengungen des Tages gönnten wir uns ein besonderes Abendessen im Restaurant „Cabbage & Condoms“. Ein echt interessanter Laden mit sehr gutem thailändischem Essen. Im ganzen Restaurant sind verschiedenste Deko-Elemente aus Kondomen aufgestellt. Etwas skurril, aber lustig.
Heute hatten wir zwar nicht das übliche Touristenprogramm erlebt, aber waren mit dem Tag doch zufrieden. Wir sind halbwegs glimpflich aus dem Edelsteinbetrug herausgekommen. Unser Lehrgeld (rund 150 Euro) haben wir bezahlt. Vor dem Schlafengehen hieß es Sachen packen. Morgen früh würden wir nach Phuket fliegen. Ein bisschen Sonne, Strand und Palmen würden uns sicher gut tun.
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