Atemberaubend: Bryce Canyon und Grand Canyon
169. Tag – 03.08.2006
Nach einem wirklich schlechtem „Frühstück“, an dem die kostenlose Zeitung noch das Beste war, diskutierten wir die weitere Route. Der Adapter-Loop hatte uns einen Tag gekostet und langsam wurde die Zeit knapp. Der Abgabetermin für den Mietwagen in San Fransisco und unser Abflugtermin nach Mexiko rückten immer näher. Sollen wir vielleicht unseren USA-Aufenthalt verlängern? Das würde zwar einen ganzen Rattenschwanz an organisatorischen Änderungen nach sich ziehen, aber das würden wir schon irgendwie hinkriegen. Echt blöd, dass wir den Flug nach Mexiko wegen der Visabestimmungen schon von Deutschland aus buchen mussten. Auf jeden Fall müssen wir bald eine Entscheidung treffen: den Grand-Canyon-Nationalpark wollten wir auf jeden Fall besuchen. Sollten wir die Route über den Arches-Nationalpark und das Monument Valley wählen? Oder lieber die kürzere Alternative über den Bryce Canyon? Am liebsten hätten wir alle drei Nationalparks besucht. Wir entschlossen uns Schritt für Schritt vorzugehen. Nächste Station würde Salt Lake City sein. Dort gibt es am Flughafen eine Filiale unseres Autovermieters „National“. Wir würden erstmal fragen, ob eine Verlängerung überhaupt möglich ist und dann weitersehen.
Also ging es nach Salt Lake City, der Hauptstadt Utahs, welche als Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2002 weltweit bekannt. Die Stadt wurde 1847 von Mitgliedern der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ (HLT-Kirche) – bei uns besser bekannt als Mormonen – gegründet. Schon bald nach der Gründung der Religion durch Joseph Smith im Bundesstaat New York im Jahr 1830 begannen die Spannungen zwischen Mormonen mit anderen Bevölkerungsgruppen. Besonders die praktizierte Polygamie stieß auf Unverständnis und führte zu Misstrauen. Nach dem Lynchmord am Kirchengründer führte der Nachfolger Brigham Young den Großteil der Kirchengemeinde in Richtung unbesiedelten Westen, um den Verfolgungen zu entgehen. An der Stelle des heutigen Salt Lake City am Großen Salzsee hatte Brigham Young der Überlieferung eine Vision, die ihm sagte, dass hier der richtige Platz für eine Stadt wäre.
Wir erreichten Salt Lake City nach ca. einer Stunde und fanden sofort einen Parkplatz in der Nähe des Tempelbezirks im Zentrum der Stadt. Den ganzen Tag parken für 3$ - ein echtes Schnäppchen. Direkt vor der Touristeninformation wurden wir vom Wahrzeichen Utahs, dem Bienenkorb, begrüßt (Symbol für die Fleißigkeit seiner Einwohner). Drinnen war man sehr hilfreich und freundlich. Salt Lake City ist wie viele Städte in den USA rasterförmig angelegt, so dass die Orientierung sehr leicht ist. Das Zentrum bildet der Tempelbezirk, den wir zunächst besichtigen wollten. Dort stehen neben historischen Gebäuden wie dem Salt-Lake-Tempel und dem Salt-Lake-Tabernakel moderne Gebäude aus Beton und Stahl.
Den Tempel selbst kann man als Besucher nur von außen bewundern, da nur erwachsenen Kirchenmitgliedern der Zutritt erlaubt ist. Mit dem Bau wurde 1853 kurz nach der Gründung der Stadt begonnen. Der Tempel wurde im neugotischen Stil aus Granit erbaut und hat beeindruckende sechs Türme. Die Bauzeit betrug 40 Jahre. Verfolgungen der Mormonen, auch durch den Staat, führten immer wieder zu Verzögerungen. Na ja, die Kölner haben für die Fertigstellung ihres Doms stolze 600 Jahre gebraucht.
Das historische Tabernakel, ein bereits im 19. Jahrhundert errichtetes Versammlungsgebäude mit Platz für 5.000 Menschen, wurde gerade renoviert. Kein Besuch mögliche. Es ist Heimstätte des berühmten Mormon-Tabernacle-Chors und hier befindet sich eine der größten Orgeln der Welt. Wir besuchten stattdessen das Kongress-Zentrum, das im Jahr 2000 eingeweiht wurde und 21.000(!) Sitzplätze hat. Genug Platz für die zahlreichen Gläubigen bei den halbjährlich stattfindenden Generalkonferenzen der Kirche. Das Kongress-Zentrum ist wirklich gewaltig. Wir hörten kurz bei einem Orgelkonzert zu.
Wir brauchten jetzt erstmal eine Pause und was zu Essen. Alles was wir bisher von der Stadt gesehen hatten war sehr sauber und ordentlich, die Leute irgendwie alle zu adrett gekleidet. Auf jeden Fall war das Straßenbild ganz anders als in Großstädten, die wir bisher gesehen hatten. Wahrscheinlich ist es der noch immer starke Einfluss der Mormonen-Kirche. Immerhin sind etwa 50% der Bevölkerung von Salt Lake City Mormonen, im Bundesstaat Utah sind es sogar 75%. Nach dem Essen gingen wir zum Besucherzentrum des Tempelbezirks. Wir wurden wieder nett empfangen. Man fragte nach unserer Nationalität und bald darauf kam eine nette junge Frau, die uns in perfektem Deutsch ansprach. Sie erklärte uns, dass im Besucherzentrum „Schwestern“ verschiedenster Nationalitäten arbeiten, die den Besuchern kostenlose Touren durch den Tempelbezirk anbieten. Die Schwestern sind junge Mormoninnen aus der ganzen Welt, die hier in Salt Lake City so eine Art freiwilliges soziales Jahr leisten. Die jungen Männer ziehen meist in die Welt hinaus, um Menschen zum Glauben der Mormonen zu bekehren. Das sind die Typen im weißem Hemd und Krawatte, die einen in der Fußgängerzone ansprechen, wenn man nicht aufpasst. Unsere Begleiterin war in Bad Nauheim aufgewachsen, lebte jetzt aber schon einige Jahre in Salt Lake City. Sie führte uns zunächst durch das Besucherzentrum. Es gibt verschiedene Ausstellungen, die sich mit dem Christentum und dem Glauben der Mormonen beschäftigen. Highlight ist eine 3,30 m hohe Jesusstatue aus weißem Marmor, die vor einem nachtblauen Sternenhimmel steht. Es war ganz interessant, dies alles Mal zu hören. Trotzdem waren wir nicht zu bekehren.
Nach der Führung hatten wir erstmal genug von Religion. Im Lonely Planet hatten wir gelesen, dass es in der Bibliothek öffentliche Internetanschlüsse gibt. Höhepunkt auf dem Weg dorthin waren die ampellosen Fußgängerüberwege. Bevor man den Zebrastreifen betritt, nimmt man sich eines der bereitgestellten orangefarbenen Fähnchen. Dann läuft man Fähnchen schwenkend auf die andere Straßenseite und legt es da wieder ab. Mussten wir natürlich gleich ausprobieren. Sieht total doof aus, aber wenn es der Sicherheit dient. In der Bibliothek gab es tatsächlich Internet, sogar kostenlos.
Dann wurde es spannend. Wir machten uns auf den Weg zur Autovermietung am Flughafen. Leider waren die Neuigkeiten nicht so toll. Wir konnten den Wagen nicht ohne teure „Strafzahlung“ verlängern. Damit legten wir das Thema Verlängerung der USA-Reise zu den Akten. Das Auto geben wir am 14.8. zurück und zwei Tage später fliegen wir nach Mexiko-City. Etwas frustriert verließen Salt Lake City in Richtung Süden. Schließlich fanden wir in Nephi ein nettes Motel, das Safari Motel. Nephi ist eine kleine, für uns typisch amerikanische Stadt: breite Straßen, rasterförmig angelegt, einstöckige Häuser. Zu einer typisch amerikanischen Stadt, gehört ein typisch amerikanisches Essen. Wir gönnten uns zur Abwechslung einen Burger bei Wendy’s, wirklich viel besser als McDonalds oder Burger King! Beim Abendessen diskutierten wir noch mal unsere weitere Route. Morgen würden wir zum Bryce-Canyon-Nationalpark weiterfahren. Vor allem Lothar bedauerte, dass wir jetzt nicht das Monument Valley sehen würden, den Schauplatz vieler berühmter Hollywood-Western. Doch dies wird bestimmt nicht unser letzter USA-Besuch sein. Das Land und seine Menschen sind sehr interessant und abwechslungsreich.
170. Tag – 04.08.2006
Relativ spät machten wir uns auf den Weg. Auf der Interstate 15 ging es weiter in Richtung Süden. Etwa eine Stunde später machten wir einen ersten Stopp beim Cove Fort. Dort fand gerade das jährliche Fest der historischen Gesellschaft statt. Die Gastgeber vom Greis bis zum Kleinkind trugen Kleidung aus dem 19. Jahrhundert und es wurde damalige Handwerkskunst vorgeführt. Wegen seiner historischen Bedeutung wurde das Fort im Auftrag der Mormonen-Kirche in den 90ern restauriert und dient heute als eine Art Freilichtmuseum. Die Funktion und Einrichtung jedes Raums des kleinen Forts wurde von einem Mitglied der historischen Gesellschaft erläutert. Cove Fort war im 19. Jahrhundert eine wichtige Zwischenstation auf dem Weg von Salt Lake City nach Cedar City. Es diente den Postkutschen als Raststation und zum Pferdewechsel sowie als Telegrafenstation. Auch Kurierreiter und vorbeiziehende Reisende konnten sich hier vom beschwerlichen Weg erholen. Nach etwa 20 Jahren verlor das Fort durch den Bau der Eisenbahn und die moderneren Telegrafen an Bedeutung. Nach der Besichtigung des Forts und des Geländes wurden wir noch zu Hotdogs und Getränken eingeladen.
Nach gut zwei Stunden machten wir uns wieder auf den Weg und erreichten am frühen Nachmittag unser Ziel, den Bryce-Canyon-Nationalpark. Telefonisch hatten wir schon erfahren, dass es im Park selber kein freies Zimmer mehr gab. So quartierten wir uns in einem nettem Motel, dem Bryce Canyon Pines, ein. Das Motel liegt etwa 10 min vom Park entfernt und wirbt mit seinem gutem Restaurant, das wollten wir heute Abend mal ausprobieren.
So gegen 15 Uhr fuhren wir zu einer ersten Besichtigung des Bryce-Canyon-Nationalparks. Der Eintritt für unser Auto betrug wieder 20$. Unser erster Weg führte zum Visitorcenter. Dort bekamen wir Infos über das Rangerprogramms des Parks und konnten einen interessantes Video über die Geologie, Tier- und Pflanzenwelt des Parks sehen. Im Video hieß es auch, dass der Bryce Canyon eigentlich gar kein Canyon ist. Wir mussten an unseren Guide Matt im australischen Outback denken, der uns schon damals erklärt hatte, dass die Amis es mit dem Unterschied zwischen Canyon und Gorge nicht so genau nehmen. Im Deutschen gibt es keinen Unterschied: für uns ist es einfach eine Schlucht! Der Film gab uns schon einen kleinen Vorgeschmack darauf, was uns erwartete. Von den vielen Führungen und Vorträgen, die von den Park-Rangern angeboten werden, entschieden wir uns für den „Sunsetwalk“, einer geführten Wanderung kurz vor Sonnenuntergang. Bis dahin hatten wir noch reichlich Zeit und starteten mit unserer eigenen Besichtigung des Parks.
Frühe Funde zeigen, dass die Gegend des Parks bereits vor 10.000 Jahren von Indianern besiedelt wurde. Von Weißen erkundet wurde das Gebiet erst um 1870 und kurz danach von Mormonen besiedelt. Einer von ihnen war Ebenezer Bryce, der seine Hütte neben dem heutigen Bryce Canyon baute. Mister Bryce verließ die Gegend bald wieder in Richtung Arizona, der Name und seine sehr unromantische Beschreibung des Ortes „ein höllischer Platz, um eine Kuh zu verlieren“ blieb. Angelockt durch Berichte einer wissenschaftlichen Expedition über die Naturwunder des Gebietes sowie unterstützt durch den Ausbau der Eisenbahn kamen Anfang des 20. Jahrhunderts immer mehr Touristen. Zum Schutz dieses Naturwunders wurde das Gebiet schließlich 1928 zum Nationalpark erklärt.
Der beste Weg die Schönheit des Bryce-Canyon-Nationalpark zu entdecken ist die Fahrt auf der 30 km langen Panoramastraße, die am Rand des Bryce Canyons entlang führt. Die Empfangsdame unseres Motels hatte uns empfohlen, erst bis zum Ende der Straße am Yovimpa Point zu fahren und dann auf dem Rückweg an den verschiedenen Aussichtspunkten zu halten. Für die Blicke, die sich uns bei verschiedenen Stopps boten, gibt es nur einen Ausdruck: WOW! Der Panoramablick auf die sich öffnenden, stufenförmigen Wände des Bryce Canyons sowie die Berge in der Ferne ist wirklich unvergesslich. Die Felsen leuchten in den verschiedensten Gelb-, Braun-, Rottönen. Dazwischen das Grün der Zedernwälder. Wie aus einem Märchenland entsprungen wirken die „Hoodoos“. Diese in Jahrtausenden durch Erosion entstandenen Steinsäulen wirken wie eine stumme, steinerne Armee. Eine Legende der Paiute-Indianer besagt, dass es sich um böse Menschen handelt, die vom großen Kojoten als Strafe versteinert wurden. Gut vorstellbar. Die bizarren Formationen haben sogar teilweise Namen. Besonders bekannt sind „Thor’s Hammer“, die wirklich ein bisschen so aussieht, als hätte der nordische Gott sein Kriegsgerät hier mal abgestellt, und die „Natural Bridge“, nur durch Wind und Regen aus dem Gestein geformt. Der zwischendurch einsetzende Regen störte nicht viel. Wir hatten nur die Befürchtung, dass unser „Sunset“-Walk mit dem Park-Ranger ausfallen würde. Die Sache mit dem „Sunset“-Walk war schließlich ein Reinfall. Wir warteten und warteten am Sunset Point. Niemand erschien. Im Visitorcenter erfuhren wir, dass wir scheinbar an der falschen Stelle gewartet hatten: dumm gelaufen.
Wir fuhren erstmal zurück ins Motel und erledigten mal wieder ein paar praktische Dinge, wie Wäsche waschen usw. Hier schauten wir uns dann den Sonnenuntergang über den in der Ferne liegenden Bergen an, auch nicht schlecht. Das Essen im so gelobten Restaurant fanden wir nicht so toll, aber was soll’s. Anschließend brachen wir nochmal in den Park auf, um einen Vortrag zu hören. Die Veranstaltung mit Dark-Ranger Andy lief unter dem Namen „Enzeklopedia Galactica“ und war sehr informativ und unterhaltsam. Schon den Einstieg fanden wir echt Klasse. Unterlegt mit der Filmmusik von „Star Wars“ und dem gleichen Aufbau begann ein kurzer Film über die Entstehung des Universums. Andy erzählte viel über die Entstehung des Sonnensystems und unserer Planeten, erklärte die Geschichten zu Sternbildern sowie das Problem der Umweltverschmutzung durch elektrisches Licht. Anschließend war Sterne gucken angesagt. Wir sahen durch die aufgebauten Teleskope die Mondlandschaft, die Jupitermonde und eine Doppelsternsystem. Faszinierend. Zum Abschluss fuhren wir nochmal zum Sunrise Point. Die Hoodoos sahen bei Mondlicht noch geheimnisvoller aus. Wir waren erst spät zurück im Motel und fielen todmüde ins Bett.
171. Tag – 05.08.2006
Der Wecker klingelte um 5:30 Uhr. Andrea wollte unbedingt den Sonnenaufgang über dem Bryce Canyon sehen. Diesmal ging Lothar mit. Wir waren rechtzeitig da, aber nicht alleine. Etwa 50 andere Verrückte warteten schon. Es war beeindruckend, wie sich die Farben der Hoodoos und Berge mit der aufsteigenden Sonne veränderten. Für eine kurze Wanderung zwischen den Hoodoos fuhren wir zum Inspiration Point. Aus der Nähe sind sie noch beeindruckender und die Spuren von Wind und Wetter deutlicher zu sehen. Man kann sich fast verlieren im Wald aus Felsformationen. Hinter jeder Biegung gab es was Neues zu entdecken. Doch wir mussten weiter, der Zeitplan drückte. Noch kurz im Motel unsere Sachen abgeholt und schon waren wir wieder unterwegs. Unser heutiges Ziel: der Grand-Canyon-Nationalpark.
Zunächst fuhren wir auf der US89 Richtung Süden. Es gab an der Strecke nur wenige Städte. Nicht viel zu sehen. Wir waren schon gespannt auf den Grand Canyon, einen weiteren Höhepunkt unserer Reise. Seit 1978 gehört dieses weltbekannte Naturwunder zum UNESCO-Weltnaturerbe. Nach etwa 3 Stunden erreichten wir die Abfahrt zum Nordrand des Grand Canyon. Wir wollen aber heute noch auf die andere Seite des Canyons: Da das South Rim, also der Südrand, höher liegt, soll man von dort einen schöneren Blick haben. Ist aber gar nicht so einfach. Die in Millionen von Jahren vom Colorado River geschaffene Schlucht ist etwa 450 km lang, bis zu 1.500 m tief und zwischen 6 und 30 km breit. Es gibt es keine Brücke über den Grand Canyon, da hilft nur umfahren und den Colorado östlich oder westlich des Canyons zu überqueren. Also ging es weiter in östliche Richtung entlang des Paria Plateaus, dessen steile Wände wir in der Ferne sehen konnten, ansonsten menschenleere Wüstenlandschaft.
Einen kurzen Stopp legten wir an der Navajo-Brücke über den Marble Canyon ein, der ebenfalls vom Colorado River durchflossen wird. Von der Brücke hatten wir einen tollen Blick auf die steil abfallenden Wände dieses kleinen Canyons und den unter uns fließenden Colorado. Nach ein paar Fotos fuhren wir weiter. In Cameron an der Abfahrt Richtung Grand-Canyon-Nationalpark hielten wir noch mal um unsere Übernachtung zu klären. Wir bekamen noch ein Zimmer direkt im Park in der Bright Angel Lodge. Von hier aus ging es dann auf der AZ64 in Richtung Westen durch ein Navajo-Indianerreservat. Unterwegs gab es viele Stände mit Kunsthandwerk, u. a. sehr schöne Traumfänger sowie Schmuck und Gürtel aus Türkisen. Andrea musste schwer mit sich kämpfen, nicht an jedem Stand was mitzunehmen. Lothar half ihr dabei. Die Wohnwagendörfer stimmten uns eher nachdenklich. Viele Indianer in den USA leben heute noch in den Reservaten und haben mit Problemen wie Armut, unzureichenden Bildungsmöglichkeiten und hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen.
Schließlich erreichten wir den Eingang des Nationalparks und wollten die üblichen 25$ für unser Auto zahlen. Zu unserer Überraschung wurden wir gefragt, ob wir schon in anderen Nationalparks waren und die Tickets noch hätten. Der nette Ranger klärte uns auf: Ein Jahrespass für alle Nationalparks in den USA kostet 80$. Da wir bisher schon 65$ für Eintritte in die Nationalparks ausgegeben hatten, mussten wir nur noch die Differenz zum Jahrespass zahlen. Fanden wir super nett.
Wir fuhren erstmal zum Desert View Point, dem östlichsten der Aussichtspunkte. Von dem dort gelegenen Watchtower, einem historischen Gebäude im Baustil der Pueblo-Indianer, konnten wir einen ersten Blick auf den Grand Canyon werfen. Wirklich überwältigend. In der Ferne konnten wir die Wüste erkennen und den sich dahin schlängelnden Colorado. An den steil abfallenden Felswänden waren sehr gut die verschiedenen Gesteinsschichten zu erkennen, ein Blick auf Millionen Jahre Erdgeschichte. Weiter ging die Fahrt entlang des „Desert Drive“ zu Lipan Point, Moran Point und Grandview Point. Eine Aussicht schöner als die andere. Mit Worten schwer zu beschreiben. Den Sonnenuntergang genossen wir dann am Mather Point, wir fanden sogar ein Plätzchen nur für uns allein. Es war ein tolles Erlebnis: das Farbenspiel der untergehenden Sonne vor dieser überwältigenden Kulisse.
Unsere Unterkunft war zwar sehr einfach, aber ganz nett und lag quasi am Rand des Canyons. Wir wollten gleich zum Essen, da wir inzwischen ziemlich hungrig waren. Die Leute standen schon vor der Tür, so voll war es. Nach 45 Minuten (!) Wartezeit – in denen wir uns ärgerten, dass wir heute nicht unterwegs eingekauft hatten – bekamen wir dann einen Tisch. Das Essen war prima (oder war das nur der Hunger?) und wir lernten wieder was dazu. Alkohol darf hier nur von amerikanischen Kellnern ausgeschenkt werden, nicht von den zahlreichen ausländischen Saisonarbeitskräften. Hatten wir ja Glück, dass unser Kellner aus Texas stammte und damit qualifiziert war. Nach einem kleinen Abendspaziergang am Canyonrand fielen wir müde in unsere Betten.
172. Tag – 06.08.2006
Wir entschlossen uns, den ganzen Tag im Grand-Canyon-Nationalpark zu verbringen und erst morgen weiterzufahren. Zu entdecken und erleben gibt es ja hier reichlich. Zuerst klärten wir die Unterkunft ab. Wir mussten zwar in die etwas teuere Maswik Lodge umziehen, aber dafür konnten wir den Tag wie geplant in Ruhe genießen. Nach einem kräftigen Frühstück – ohne Wartezeit – fuhren wir zum Visiotorcenter, das wieder mal sehr informativ und hilfreich war. Wir wollten heute eine Wanderung unternehmen und ließen uns ein paar Routen empfehlen. Draußen gab es noch eindringliche Warnungen vor den Gefahren, die mit einer Wanderung im Grand Canyon verbunden sind. Man sollte immer genug Wasser und Essen dabei haben, die Hitze nicht unterschätzen, seine eigenen Kräfte nicht überschätzen und nicht alleine losziehen. Von dem Versuch, zum Colorado am Grund des Canyons und zurück an einem Tag zu wandern, wird ebenfalls dringend abgeraten. Jährlich gibt es einige Todesfälle, die auf Leichtsinn und nicht Beachtung dieser Regeln zurückzuführen sind.
Wir hatten uns zu einer Wanderung auf dem South-Kaibab-Trail entschieden. Den ganzen Trail würden wir heute allerdings nicht schaffen: Dieser Trail führt bis zum Colorado River und ist etwa 11km lang. Klingt nicht viel, aber man muss ja auch wieder zurück. Da der Trail so gut wie keinen Schatten bietet und es unterwegs kein Wasser gibt, wäre das auch zu gefährlich. Wir wollten zunächst bis zum sogenannten „Ooh-AAh-Point“ (etwa 1,5km) gehen und dort entscheiden, ob wir noch weiterlaufen wollen. Mit dem Shuttle-Bus fuhren wir vom Visitorcenter zum Ausgangspunkt der Wanderung am Yaki Point. Da es hinab ging, war das laufen sehr leicht und angenehm. Aber irgendwie auch ein komisches Gefühl, dass es abwärts ging. Normalerweise hat man bei Wanderungen erst die Anstrengung auf den Berg hinauf zu kommen und es dann beim Abstieg leichter. Wir genossen die tolle Aussicht auf den Grand Canyon.
Unterwegs begegneten wir einem Typ mit zahlreichen Packmulis, der einzige Weg die am Colorado liegende Phantom Ranch sowie zwei Campingplätze zu versorgen. Schließlich erreichten wir eine Schutzhütte und stellten überrascht fest, dass wir an unserem Ziel vorbei gelaufen waren! Wir waren bereits an der Cedar Ridge. Außer uns war kein Mensch weit und breit zu sehen. Wir genossen die Stille und die Aussicht, machten ausgiebig Pause. Dann kam ein Parkranger, der uns fragte, was wir noch vorhätten. Er riet uns dringend davon ab weiterzugehen, hatten wir auch gar nicht vor. Nach etwa einer Stunde machten wir uns auf den Rückweg. Der war dann schon etwas beschwerlicher, da es jetzt bergauf bzw. Canyon-aufwärts ging. So gegen 14:30 Uhr waren wir zurück am Yaki Point. Mit dem Bus ging es wieder zurück zum Visitorcenter.
Trotz der anstrengenden Wanderung wollten wir den Park noch weiter entdecken. Wir hatten den westlichen Teil des Parks noch nicht gesehen. Dorthin führt die Hermit Straße, die von März bis November für Privatautos gesperrt ist. Daher nutzten wir den kostenlosen Bus des Parks. Wir fuhren erstmal bis zum Pima Point, wo man einen guten Blick auf den Colorado hat. Weiter ging es zu Hermit’s Rest, dem Endpunkt der Straße. Dort blieben wir nicht lange und nahmen den nächsten Bus zurück Richtung Canyon Village. Am Mohave Point ließen wir uns absetzen und wanderten entlang des Canyon-Randes bis zum Hopi Point. Mit Worten ist die Aussicht auf den Grand Canyon einfach nicht zu beschreiben. Unterwegs sahen wir sogar einen Condor. Lothar blieb fast das Herz stehen, wenn Andrea unbedingt direkt am Canyon-Rand stehen musste, um eine bessere Sicht zu haben und dann noch zusätzlich irgendwelche Gleichgewichtsübungen machte. Mit Drohungen wie „Das erzähl ich alles deiner Mutter“, versuchte er ohne Erfolg sie davon abzuhalten. Gegen 19 Uhr waren wir dann wieder zurück in unserer Unterkunft.
Das Abendessen war heute nicht so gut, dafür mussten wir nur 20 Minuten warten. In den Unterkünften und Restaurants merkten wir schon, dass im Moment Hochsaison war. Auf dem Rückweg zur Lodge hatten wir noch ein ganz besonderes Erlebnis. Wir sahen mitten im Dorf einen riesigen Elch, der in aller Gemütlichkeit Gras vor einem Hotel fraß. Das war heute mal wieder einer toller, erlebnisreicher Tag.
Noch mehr Fotos gibt´s in unserem Webalbum.
Nach einem wirklich schlechtem „Frühstück“, an dem die kostenlose Zeitung noch das Beste war, diskutierten wir die weitere Route. Der Adapter-Loop hatte uns einen Tag gekostet und langsam wurde die Zeit knapp. Der Abgabetermin für den Mietwagen in San Fransisco und unser Abflugtermin nach Mexiko rückten immer näher. Sollen wir vielleicht unseren USA-Aufenthalt verlängern? Das würde zwar einen ganzen Rattenschwanz an organisatorischen Änderungen nach sich ziehen, aber das würden wir schon irgendwie hinkriegen. Echt blöd, dass wir den Flug nach Mexiko wegen der Visabestimmungen schon von Deutschland aus buchen mussten. Auf jeden Fall müssen wir bald eine Entscheidung treffen: den Grand-Canyon-Nationalpark wollten wir auf jeden Fall besuchen. Sollten wir die Route über den Arches-Nationalpark und das Monument Valley wählen? Oder lieber die kürzere Alternative über den Bryce Canyon? Am liebsten hätten wir alle drei Nationalparks besucht. Wir entschlossen uns Schritt für Schritt vorzugehen. Nächste Station würde Salt Lake City sein. Dort gibt es am Flughafen eine Filiale unseres Autovermieters „National“. Wir würden erstmal fragen, ob eine Verlängerung überhaupt möglich ist und dann weitersehen.
Also ging es nach Salt Lake City, der Hauptstadt Utahs, welche als Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2002 weltweit bekannt. Die Stadt wurde 1847 von Mitgliedern der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ (HLT-Kirche) – bei uns besser bekannt als Mormonen – gegründet. Schon bald nach der Gründung der Religion durch Joseph Smith im Bundesstaat New York im Jahr 1830 begannen die Spannungen zwischen Mormonen mit anderen Bevölkerungsgruppen. Besonders die praktizierte Polygamie stieß auf Unverständnis und führte zu Misstrauen. Nach dem Lynchmord am Kirchengründer führte der Nachfolger Brigham Young den Großteil der Kirchengemeinde in Richtung unbesiedelten Westen, um den Verfolgungen zu entgehen. An der Stelle des heutigen Salt Lake City am Großen Salzsee hatte Brigham Young der Überlieferung eine Vision, die ihm sagte, dass hier der richtige Platz für eine Stadt wäre.
Wir erreichten Salt Lake City nach ca. einer Stunde und fanden sofort einen Parkplatz in der Nähe des Tempelbezirks im Zentrum der Stadt. Den ganzen Tag parken für 3$ - ein echtes Schnäppchen. Direkt vor der Touristeninformation wurden wir vom Wahrzeichen Utahs, dem Bienenkorb, begrüßt (Symbol für die Fleißigkeit seiner Einwohner). Drinnen war man sehr hilfreich und freundlich. Salt Lake City ist wie viele Städte in den USA rasterförmig angelegt, so dass die Orientierung sehr leicht ist. Das Zentrum bildet der Tempelbezirk, den wir zunächst besichtigen wollten. Dort stehen neben historischen Gebäuden wie dem Salt-Lake-Tempel und dem Salt-Lake-Tabernakel moderne Gebäude aus Beton und Stahl.
Den Tempel selbst kann man als Besucher nur von außen bewundern, da nur erwachsenen Kirchenmitgliedern der Zutritt erlaubt ist. Mit dem Bau wurde 1853 kurz nach der Gründung der Stadt begonnen. Der Tempel wurde im neugotischen Stil aus Granit erbaut und hat beeindruckende sechs Türme. Die Bauzeit betrug 40 Jahre. Verfolgungen der Mormonen, auch durch den Staat, führten immer wieder zu Verzögerungen. Na ja, die Kölner haben für die Fertigstellung ihres Doms stolze 600 Jahre gebraucht.
Das historische Tabernakel, ein bereits im 19. Jahrhundert errichtetes Versammlungsgebäude mit Platz für 5.000 Menschen, wurde gerade renoviert. Kein Besuch mögliche. Es ist Heimstätte des berühmten Mormon-Tabernacle-Chors und hier befindet sich eine der größten Orgeln der Welt. Wir besuchten stattdessen das Kongress-Zentrum, das im Jahr 2000 eingeweiht wurde und 21.000(!) Sitzplätze hat. Genug Platz für die zahlreichen Gläubigen bei den halbjährlich stattfindenden Generalkonferenzen der Kirche. Das Kongress-Zentrum ist wirklich gewaltig. Wir hörten kurz bei einem Orgelkonzert zu.
Wir brauchten jetzt erstmal eine Pause und was zu Essen. Alles was wir bisher von der Stadt gesehen hatten war sehr sauber und ordentlich, die Leute irgendwie alle zu adrett gekleidet. Auf jeden Fall war das Straßenbild ganz anders als in Großstädten, die wir bisher gesehen hatten. Wahrscheinlich ist es der noch immer starke Einfluss der Mormonen-Kirche. Immerhin sind etwa 50% der Bevölkerung von Salt Lake City Mormonen, im Bundesstaat Utah sind es sogar 75%. Nach dem Essen gingen wir zum Besucherzentrum des Tempelbezirks. Wir wurden wieder nett empfangen. Man fragte nach unserer Nationalität und bald darauf kam eine nette junge Frau, die uns in perfektem Deutsch ansprach. Sie erklärte uns, dass im Besucherzentrum „Schwestern“ verschiedenster Nationalitäten arbeiten, die den Besuchern kostenlose Touren durch den Tempelbezirk anbieten. Die Schwestern sind junge Mormoninnen aus der ganzen Welt, die hier in Salt Lake City so eine Art freiwilliges soziales Jahr leisten. Die jungen Männer ziehen meist in die Welt hinaus, um Menschen zum Glauben der Mormonen zu bekehren. Das sind die Typen im weißem Hemd und Krawatte, die einen in der Fußgängerzone ansprechen, wenn man nicht aufpasst. Unsere Begleiterin war in Bad Nauheim aufgewachsen, lebte jetzt aber schon einige Jahre in Salt Lake City. Sie führte uns zunächst durch das Besucherzentrum. Es gibt verschiedene Ausstellungen, die sich mit dem Christentum und dem Glauben der Mormonen beschäftigen. Highlight ist eine 3,30 m hohe Jesusstatue aus weißem Marmor, die vor einem nachtblauen Sternenhimmel steht. Es war ganz interessant, dies alles Mal zu hören. Trotzdem waren wir nicht zu bekehren.
Nach der Führung hatten wir erstmal genug von Religion. Im Lonely Planet hatten wir gelesen, dass es in der Bibliothek öffentliche Internetanschlüsse gibt. Höhepunkt auf dem Weg dorthin waren die ampellosen Fußgängerüberwege. Bevor man den Zebrastreifen betritt, nimmt man sich eines der bereitgestellten orangefarbenen Fähnchen. Dann läuft man Fähnchen schwenkend auf die andere Straßenseite und legt es da wieder ab. Mussten wir natürlich gleich ausprobieren. Sieht total doof aus, aber wenn es der Sicherheit dient. In der Bibliothek gab es tatsächlich Internet, sogar kostenlos.
Dann wurde es spannend. Wir machten uns auf den Weg zur Autovermietung am Flughafen. Leider waren die Neuigkeiten nicht so toll. Wir konnten den Wagen nicht ohne teure „Strafzahlung“ verlängern. Damit legten wir das Thema Verlängerung der USA-Reise zu den Akten. Das Auto geben wir am 14.8. zurück und zwei Tage später fliegen wir nach Mexiko-City. Etwas frustriert verließen Salt Lake City in Richtung Süden. Schließlich fanden wir in Nephi ein nettes Motel, das Safari Motel. Nephi ist eine kleine, für uns typisch amerikanische Stadt: breite Straßen, rasterförmig angelegt, einstöckige Häuser. Zu einer typisch amerikanischen Stadt, gehört ein typisch amerikanisches Essen. Wir gönnten uns zur Abwechslung einen Burger bei Wendy’s, wirklich viel besser als McDonalds oder Burger King! Beim Abendessen diskutierten wir noch mal unsere weitere Route. Morgen würden wir zum Bryce-Canyon-Nationalpark weiterfahren. Vor allem Lothar bedauerte, dass wir jetzt nicht das Monument Valley sehen würden, den Schauplatz vieler berühmter Hollywood-Western. Doch dies wird bestimmt nicht unser letzter USA-Besuch sein. Das Land und seine Menschen sind sehr interessant und abwechslungsreich.
170. Tag – 04.08.2006
Relativ spät machten wir uns auf den Weg. Auf der Interstate 15 ging es weiter in Richtung Süden. Etwa eine Stunde später machten wir einen ersten Stopp beim Cove Fort. Dort fand gerade das jährliche Fest der historischen Gesellschaft statt. Die Gastgeber vom Greis bis zum Kleinkind trugen Kleidung aus dem 19. Jahrhundert und es wurde damalige Handwerkskunst vorgeführt. Wegen seiner historischen Bedeutung wurde das Fort im Auftrag der Mormonen-Kirche in den 90ern restauriert und dient heute als eine Art Freilichtmuseum. Die Funktion und Einrichtung jedes Raums des kleinen Forts wurde von einem Mitglied der historischen Gesellschaft erläutert. Cove Fort war im 19. Jahrhundert eine wichtige Zwischenstation auf dem Weg von Salt Lake City nach Cedar City. Es diente den Postkutschen als Raststation und zum Pferdewechsel sowie als Telegrafenstation. Auch Kurierreiter und vorbeiziehende Reisende konnten sich hier vom beschwerlichen Weg erholen. Nach etwa 20 Jahren verlor das Fort durch den Bau der Eisenbahn und die moderneren Telegrafen an Bedeutung. Nach der Besichtigung des Forts und des Geländes wurden wir noch zu Hotdogs und Getränken eingeladen.
Nach gut zwei Stunden machten wir uns wieder auf den Weg und erreichten am frühen Nachmittag unser Ziel, den Bryce-Canyon-Nationalpark. Telefonisch hatten wir schon erfahren, dass es im Park selber kein freies Zimmer mehr gab. So quartierten wir uns in einem nettem Motel, dem Bryce Canyon Pines, ein. Das Motel liegt etwa 10 min vom Park entfernt und wirbt mit seinem gutem Restaurant, das wollten wir heute Abend mal ausprobieren.
So gegen 15 Uhr fuhren wir zu einer ersten Besichtigung des Bryce-Canyon-Nationalparks. Der Eintritt für unser Auto betrug wieder 20$. Unser erster Weg führte zum Visitorcenter. Dort bekamen wir Infos über das Rangerprogramms des Parks und konnten einen interessantes Video über die Geologie, Tier- und Pflanzenwelt des Parks sehen. Im Video hieß es auch, dass der Bryce Canyon eigentlich gar kein Canyon ist. Wir mussten an unseren Guide Matt im australischen Outback denken, der uns schon damals erklärt hatte, dass die Amis es mit dem Unterschied zwischen Canyon und Gorge nicht so genau nehmen. Im Deutschen gibt es keinen Unterschied: für uns ist es einfach eine Schlucht! Der Film gab uns schon einen kleinen Vorgeschmack darauf, was uns erwartete. Von den vielen Führungen und Vorträgen, die von den Park-Rangern angeboten werden, entschieden wir uns für den „Sunsetwalk“, einer geführten Wanderung kurz vor Sonnenuntergang. Bis dahin hatten wir noch reichlich Zeit und starteten mit unserer eigenen Besichtigung des Parks.
Frühe Funde zeigen, dass die Gegend des Parks bereits vor 10.000 Jahren von Indianern besiedelt wurde. Von Weißen erkundet wurde das Gebiet erst um 1870 und kurz danach von Mormonen besiedelt. Einer von ihnen war Ebenezer Bryce, der seine Hütte neben dem heutigen Bryce Canyon baute. Mister Bryce verließ die Gegend bald wieder in Richtung Arizona, der Name und seine sehr unromantische Beschreibung des Ortes „ein höllischer Platz, um eine Kuh zu verlieren“ blieb. Angelockt durch Berichte einer wissenschaftlichen Expedition über die Naturwunder des Gebietes sowie unterstützt durch den Ausbau der Eisenbahn kamen Anfang des 20. Jahrhunderts immer mehr Touristen. Zum Schutz dieses Naturwunders wurde das Gebiet schließlich 1928 zum Nationalpark erklärt.
Der beste Weg die Schönheit des Bryce-Canyon-Nationalpark zu entdecken ist die Fahrt auf der 30 km langen Panoramastraße, die am Rand des Bryce Canyons entlang führt. Die Empfangsdame unseres Motels hatte uns empfohlen, erst bis zum Ende der Straße am Yovimpa Point zu fahren und dann auf dem Rückweg an den verschiedenen Aussichtspunkten zu halten. Für die Blicke, die sich uns bei verschiedenen Stopps boten, gibt es nur einen Ausdruck: WOW! Der Panoramablick auf die sich öffnenden, stufenförmigen Wände des Bryce Canyons sowie die Berge in der Ferne ist wirklich unvergesslich. Die Felsen leuchten in den verschiedensten Gelb-, Braun-, Rottönen. Dazwischen das Grün der Zedernwälder. Wie aus einem Märchenland entsprungen wirken die „Hoodoos“. Diese in Jahrtausenden durch Erosion entstandenen Steinsäulen wirken wie eine stumme, steinerne Armee. Eine Legende der Paiute-Indianer besagt, dass es sich um böse Menschen handelt, die vom großen Kojoten als Strafe versteinert wurden. Gut vorstellbar. Die bizarren Formationen haben sogar teilweise Namen. Besonders bekannt sind „Thor’s Hammer“, die wirklich ein bisschen so aussieht, als hätte der nordische Gott sein Kriegsgerät hier mal abgestellt, und die „Natural Bridge“, nur durch Wind und Regen aus dem Gestein geformt. Der zwischendurch einsetzende Regen störte nicht viel. Wir hatten nur die Befürchtung, dass unser „Sunset“-Walk mit dem Park-Ranger ausfallen würde. Die Sache mit dem „Sunset“-Walk war schließlich ein Reinfall. Wir warteten und warteten am Sunset Point. Niemand erschien. Im Visitorcenter erfuhren wir, dass wir scheinbar an der falschen Stelle gewartet hatten: dumm gelaufen.
Wir fuhren erstmal zurück ins Motel und erledigten mal wieder ein paar praktische Dinge, wie Wäsche waschen usw. Hier schauten wir uns dann den Sonnenuntergang über den in der Ferne liegenden Bergen an, auch nicht schlecht. Das Essen im so gelobten Restaurant fanden wir nicht so toll, aber was soll’s. Anschließend brachen wir nochmal in den Park auf, um einen Vortrag zu hören. Die Veranstaltung mit Dark-Ranger Andy lief unter dem Namen „Enzeklopedia Galactica“ und war sehr informativ und unterhaltsam. Schon den Einstieg fanden wir echt Klasse. Unterlegt mit der Filmmusik von „Star Wars“ und dem gleichen Aufbau begann ein kurzer Film über die Entstehung des Universums. Andy erzählte viel über die Entstehung des Sonnensystems und unserer Planeten, erklärte die Geschichten zu Sternbildern sowie das Problem der Umweltverschmutzung durch elektrisches Licht. Anschließend war Sterne gucken angesagt. Wir sahen durch die aufgebauten Teleskope die Mondlandschaft, die Jupitermonde und eine Doppelsternsystem. Faszinierend. Zum Abschluss fuhren wir nochmal zum Sunrise Point. Die Hoodoos sahen bei Mondlicht noch geheimnisvoller aus. Wir waren erst spät zurück im Motel und fielen todmüde ins Bett.
171. Tag – 05.08.2006
Der Wecker klingelte um 5:30 Uhr. Andrea wollte unbedingt den Sonnenaufgang über dem Bryce Canyon sehen. Diesmal ging Lothar mit. Wir waren rechtzeitig da, aber nicht alleine. Etwa 50 andere Verrückte warteten schon. Es war beeindruckend, wie sich die Farben der Hoodoos und Berge mit der aufsteigenden Sonne veränderten. Für eine kurze Wanderung zwischen den Hoodoos fuhren wir zum Inspiration Point. Aus der Nähe sind sie noch beeindruckender und die Spuren von Wind und Wetter deutlicher zu sehen. Man kann sich fast verlieren im Wald aus Felsformationen. Hinter jeder Biegung gab es was Neues zu entdecken. Doch wir mussten weiter, der Zeitplan drückte. Noch kurz im Motel unsere Sachen abgeholt und schon waren wir wieder unterwegs. Unser heutiges Ziel: der Grand-Canyon-Nationalpark.
Zunächst fuhren wir auf der US89 Richtung Süden. Es gab an der Strecke nur wenige Städte. Nicht viel zu sehen. Wir waren schon gespannt auf den Grand Canyon, einen weiteren Höhepunkt unserer Reise. Seit 1978 gehört dieses weltbekannte Naturwunder zum UNESCO-Weltnaturerbe. Nach etwa 3 Stunden erreichten wir die Abfahrt zum Nordrand des Grand Canyon. Wir wollen aber heute noch auf die andere Seite des Canyons: Da das South Rim, also der Südrand, höher liegt, soll man von dort einen schöneren Blick haben. Ist aber gar nicht so einfach. Die in Millionen von Jahren vom Colorado River geschaffene Schlucht ist etwa 450 km lang, bis zu 1.500 m tief und zwischen 6 und 30 km breit. Es gibt es keine Brücke über den Grand Canyon, da hilft nur umfahren und den Colorado östlich oder westlich des Canyons zu überqueren. Also ging es weiter in östliche Richtung entlang des Paria Plateaus, dessen steile Wände wir in der Ferne sehen konnten, ansonsten menschenleere Wüstenlandschaft.
Einen kurzen Stopp legten wir an der Navajo-Brücke über den Marble Canyon ein, der ebenfalls vom Colorado River durchflossen wird. Von der Brücke hatten wir einen tollen Blick auf die steil abfallenden Wände dieses kleinen Canyons und den unter uns fließenden Colorado. Nach ein paar Fotos fuhren wir weiter. In Cameron an der Abfahrt Richtung Grand-Canyon-Nationalpark hielten wir noch mal um unsere Übernachtung zu klären. Wir bekamen noch ein Zimmer direkt im Park in der Bright Angel Lodge. Von hier aus ging es dann auf der AZ64 in Richtung Westen durch ein Navajo-Indianerreservat. Unterwegs gab es viele Stände mit Kunsthandwerk, u. a. sehr schöne Traumfänger sowie Schmuck und Gürtel aus Türkisen. Andrea musste schwer mit sich kämpfen, nicht an jedem Stand was mitzunehmen. Lothar half ihr dabei. Die Wohnwagendörfer stimmten uns eher nachdenklich. Viele Indianer in den USA leben heute noch in den Reservaten und haben mit Problemen wie Armut, unzureichenden Bildungsmöglichkeiten und hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen.
Schließlich erreichten wir den Eingang des Nationalparks und wollten die üblichen 25$ für unser Auto zahlen. Zu unserer Überraschung wurden wir gefragt, ob wir schon in anderen Nationalparks waren und die Tickets noch hätten. Der nette Ranger klärte uns auf: Ein Jahrespass für alle Nationalparks in den USA kostet 80$. Da wir bisher schon 65$ für Eintritte in die Nationalparks ausgegeben hatten, mussten wir nur noch die Differenz zum Jahrespass zahlen. Fanden wir super nett.
Wir fuhren erstmal zum Desert View Point, dem östlichsten der Aussichtspunkte. Von dem dort gelegenen Watchtower, einem historischen Gebäude im Baustil der Pueblo-Indianer, konnten wir einen ersten Blick auf den Grand Canyon werfen. Wirklich überwältigend. In der Ferne konnten wir die Wüste erkennen und den sich dahin schlängelnden Colorado. An den steil abfallenden Felswänden waren sehr gut die verschiedenen Gesteinsschichten zu erkennen, ein Blick auf Millionen Jahre Erdgeschichte. Weiter ging die Fahrt entlang des „Desert Drive“ zu Lipan Point, Moran Point und Grandview Point. Eine Aussicht schöner als die andere. Mit Worten schwer zu beschreiben. Den Sonnenuntergang genossen wir dann am Mather Point, wir fanden sogar ein Plätzchen nur für uns allein. Es war ein tolles Erlebnis: das Farbenspiel der untergehenden Sonne vor dieser überwältigenden Kulisse.
Unsere Unterkunft war zwar sehr einfach, aber ganz nett und lag quasi am Rand des Canyons. Wir wollten gleich zum Essen, da wir inzwischen ziemlich hungrig waren. Die Leute standen schon vor der Tür, so voll war es. Nach 45 Minuten (!) Wartezeit – in denen wir uns ärgerten, dass wir heute nicht unterwegs eingekauft hatten – bekamen wir dann einen Tisch. Das Essen war prima (oder war das nur der Hunger?) und wir lernten wieder was dazu. Alkohol darf hier nur von amerikanischen Kellnern ausgeschenkt werden, nicht von den zahlreichen ausländischen Saisonarbeitskräften. Hatten wir ja Glück, dass unser Kellner aus Texas stammte und damit qualifiziert war. Nach einem kleinen Abendspaziergang am Canyonrand fielen wir müde in unsere Betten.
172. Tag – 06.08.2006
Wir entschlossen uns, den ganzen Tag im Grand-Canyon-Nationalpark zu verbringen und erst morgen weiterzufahren. Zu entdecken und erleben gibt es ja hier reichlich. Zuerst klärten wir die Unterkunft ab. Wir mussten zwar in die etwas teuere Maswik Lodge umziehen, aber dafür konnten wir den Tag wie geplant in Ruhe genießen. Nach einem kräftigen Frühstück – ohne Wartezeit – fuhren wir zum Visiotorcenter, das wieder mal sehr informativ und hilfreich war. Wir wollten heute eine Wanderung unternehmen und ließen uns ein paar Routen empfehlen. Draußen gab es noch eindringliche Warnungen vor den Gefahren, die mit einer Wanderung im Grand Canyon verbunden sind. Man sollte immer genug Wasser und Essen dabei haben, die Hitze nicht unterschätzen, seine eigenen Kräfte nicht überschätzen und nicht alleine losziehen. Von dem Versuch, zum Colorado am Grund des Canyons und zurück an einem Tag zu wandern, wird ebenfalls dringend abgeraten. Jährlich gibt es einige Todesfälle, die auf Leichtsinn und nicht Beachtung dieser Regeln zurückzuführen sind.
Wir hatten uns zu einer Wanderung auf dem South-Kaibab-Trail entschieden. Den ganzen Trail würden wir heute allerdings nicht schaffen: Dieser Trail führt bis zum Colorado River und ist etwa 11km lang. Klingt nicht viel, aber man muss ja auch wieder zurück. Da der Trail so gut wie keinen Schatten bietet und es unterwegs kein Wasser gibt, wäre das auch zu gefährlich. Wir wollten zunächst bis zum sogenannten „Ooh-AAh-Point“ (etwa 1,5km) gehen und dort entscheiden, ob wir noch weiterlaufen wollen. Mit dem Shuttle-Bus fuhren wir vom Visitorcenter zum Ausgangspunkt der Wanderung am Yaki Point. Da es hinab ging, war das laufen sehr leicht und angenehm. Aber irgendwie auch ein komisches Gefühl, dass es abwärts ging. Normalerweise hat man bei Wanderungen erst die Anstrengung auf den Berg hinauf zu kommen und es dann beim Abstieg leichter. Wir genossen die tolle Aussicht auf den Grand Canyon.
Unterwegs begegneten wir einem Typ mit zahlreichen Packmulis, der einzige Weg die am Colorado liegende Phantom Ranch sowie zwei Campingplätze zu versorgen. Schließlich erreichten wir eine Schutzhütte und stellten überrascht fest, dass wir an unserem Ziel vorbei gelaufen waren! Wir waren bereits an der Cedar Ridge. Außer uns war kein Mensch weit und breit zu sehen. Wir genossen die Stille und die Aussicht, machten ausgiebig Pause. Dann kam ein Parkranger, der uns fragte, was wir noch vorhätten. Er riet uns dringend davon ab weiterzugehen, hatten wir auch gar nicht vor. Nach etwa einer Stunde machten wir uns auf den Rückweg. Der war dann schon etwas beschwerlicher, da es jetzt bergauf bzw. Canyon-aufwärts ging. So gegen 14:30 Uhr waren wir zurück am Yaki Point. Mit dem Bus ging es wieder zurück zum Visitorcenter.
Trotz der anstrengenden Wanderung wollten wir den Park noch weiter entdecken. Wir hatten den westlichen Teil des Parks noch nicht gesehen. Dorthin führt die Hermit Straße, die von März bis November für Privatautos gesperrt ist. Daher nutzten wir den kostenlosen Bus des Parks. Wir fuhren erstmal bis zum Pima Point, wo man einen guten Blick auf den Colorado hat. Weiter ging es zu Hermit’s Rest, dem Endpunkt der Straße. Dort blieben wir nicht lange und nahmen den nächsten Bus zurück Richtung Canyon Village. Am Mohave Point ließen wir uns absetzen und wanderten entlang des Canyon-Randes bis zum Hopi Point. Mit Worten ist die Aussicht auf den Grand Canyon einfach nicht zu beschreiben. Unterwegs sahen wir sogar einen Condor. Lothar blieb fast das Herz stehen, wenn Andrea unbedingt direkt am Canyon-Rand stehen musste, um eine bessere Sicht zu haben und dann noch zusätzlich irgendwelche Gleichgewichtsübungen machte. Mit Drohungen wie „Das erzähl ich alles deiner Mutter“, versuchte er ohne Erfolg sie davon abzuhalten. Gegen 19 Uhr waren wir dann wieder zurück in unserer Unterkunft.
Das Abendessen war heute nicht so gut, dafür mussten wir nur 20 Minuten warten. In den Unterkünften und Restaurants merkten wir schon, dass im Moment Hochsaison war. Auf dem Rückweg zur Lodge hatten wir noch ein ganz besonderes Erlebnis. Wir sahen mitten im Dorf einen riesigen Elch, der in aller Gemütlichkeit Gras vor einem Hotel fraß. Das war heute mal wieder einer toller, erlebnisreicher Tag.
Noch mehr Fotos gibt´s in unserem Webalbum.