Von Suzhou über Shanghai nach Guilin
88. Tag – 28.03.2006
Suzhou ist eine der ältesten Städte Chinas und kann auf eine über 2.500 Jahre alte Geschichte zurückblicken. Schon Marco Polo besuchte im 13. Jahrhundert die ‚Seidenhauptstadt’ des damaligen chinesischen Kaiserreiches. Bis heute ist die Stadt führend in der Seidenproduktion. Wegen der vielen Kanäle, die die Stadt durchziehen, wird Suzhou auch das Venedig des Ostens genannt.
Neben der Seidenproduktion ist Suzhou für seine schönen Gärten berühmt. Früher ließen sich viele kaiserliche Beamte nach ihrer ‚Pensionierung’ hier nieder und pflegten die Traditionen der chinesischen Gartenkunst, die durch das harmonische Zusammenspiel von Wasser und Felsen, Bäumen und Gebäuden beeindruckt. Von den ehemals über 400 Gärten sind heute allerdings nur noch ca. 70 erhalten und teilweise auch wieder in Privatbesitz. Wir besuchten am Vormittag den ‚Garten der machtlosen Amtsperson’ (Zhuozheng Yuan), einer der größten und schönsten Gärten der Stadt. Besonders beeindruckend fanden wir den Bonsai-Garten. Da es so früh im Jahr noch keine blühenden Pflanzen gibt, hatte man hunderte von Azaleen in Töpfen, die im Gewächshaus ‚vorgeblüht’ wurden, aufgestellt. Im Wohnhaus der Anlage kann man Originalmöbel aus dem 16. Jahrhundert sehen.
Nach dem Besuch des Gartens machten wir einen kurzen Bummel am Kanal der Altstadt entlang. Zum Mittagessen gab es zur Abwechslung ‚westliches’ Essen - seit Wochen das erste Steak! Anschließend ging es zum Park am alten Wassertor (Panmen). Im See des Parks gibt es unglaublich viele gefräßige Karpfen, die von den Besuchern gefüttert werden wollen. Es war ein irgendwie schaurig schönes Bild, wie die Karpfen mit nach Luft schnappenden Mäulern um den besten Platz für das Futter kämpften. Sehenswert ist auch die neunstufige Pagode des Parks. Wir bummelten noch ein wenig durch den schön angelegten Park und genossen dir Ruhe. Da unsere SD-Karten schon wieder voll waren, wollten wir den Rest unserer ‚Freizeit’ für die Suche nach einem Fotoladen nutzen, um eine CD brennen. Langsam nervte das wirklich und ging auch ins Geld. Wir fanden zwar keinen Fotoladen aber entdeckten einen Markt mit Gemüse und allerlei Getier: kleine Schildkröten, vollständig geräucherte Enten und Hühner. Sehr interessant, obwohl wir inzwischen Einiges auf unserer China-Reise gesehen hatten.
Am Nachmittag besuchten wir eine Seidenspinnerei. Wir konnten uns die Herstellung von Seide anschauen – sozusagen von der Raupe bis zum fertigen Produkt – und lernten unter anderem, wie man Polyester von echter Seide unterscheidet.
Abendessen gab es heute in einem sehr schön eingerichteten ehemaligen Teehaus. Auf dem Rückweg zum Hotel entdeckten wir ein Internetcafé – sehr günstig, nur ca. 30 Cent / Stunde. Die chinesischen Gäste waren wieder mal sehr laut und wir kamen wieder nicht auf unsere Homepage.
89. Tag – 29.03.2006
Am Morgen besuchten wir das alte Wasserdorf Tongli, das zum Weltkulturerbe gehört. Unser erster Weg führte uns in den „Garten zum Rückzug zur Besinnung“, wieder mal von einem ehemaligen kaiserlichen Beamten gestaltet. Das Haus stammte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und hatte sehr viele Zimmer für Konkubinen, die damals wohl zu jedem „anständigen“ Haushalt gehörten. Danach machten wir eine Bootsfahrt durch die Kanäle. Traditionell werden die Boote von Frauen gerudert. Das Leben der Anwohner spielt sich an und auf den Kanälen ab: die Wäsche wird gewaschen und gleichzeitig das Abwasser direkt in die Kanäle geleitet. Wir beobachteten auch einen Kormoran-Fischer. Den Vögeln werden die Hälse zugebunden bevor sie auf Fischfang geschickt werden. Haben sie einen Fisch erwischt, können sie ihn nicht runterschlucken und würgen ihn wieder aus – schwups, hat man auch schon einen Fisch gefangen. Für uns sah das nach ziemlicher Tierquälerei aus. Anschließend hatten wir Zeit für einen Spaziergang durch die Gassen des kleinen Dorfes, in dem die meisten Häuser im Originalzustand erhalten sind. In einem kleinen Gasthaus konnten wir dann die Spezialität der Region probieren: Schweinshaxe. Schmeckte wirklich sehr gut – fast wie in Deutschland. Begleitet wurde das Essen von der Gesangseinlage einer chinesischen Omi. Höhepunkt – zumindest für Andrea – war der Besuch der Toilette. Der Raum wurde durch drei mittelhohe Wände getrennt. Drunter durch lief eine Pissrinne. Die Spülung war dann am Ende der Rinne – ein Wassereimer.
Am Nachmittag fuhren wir mit dem Bus weiter nach Shanghai, der bedeutendsten Industriestadt Chinas. Die Stadt mit ihren 18,4 Mio. Einwohnern ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und besitzt den drittgrößten Containerhafen der Welt. Kaum hatten wir die Stadtgrenze erreicht, gerieten wir in den ersten Stau. Zuerst ging es in den neuen Stadtbezirk Pudong, der 1990 als Sonderwirtschaftsszone gegründet wurde. Seitdem wuchs auf ehemaligem Ackerland eine imposante Skyline. Unser Weg führte uns zum Jin-Mao-Hochhaus, mit 421 m und 88 Etagen eines der höchsten Gebäude der Welt. Die unteren 50 Stockwerke werden als Büroräume genutzt, in den oberen 38 befindet sich das höchste Hotel der Welt, das Grand Hyatt Shanghai. Vom obersten Stockwerk hat man einen schwindelerregenden Blick auf die Lobby im 54. Stock und einen herrlichen Panorama-Blick auf Shanghai. Theoretisch (also wenn es keinen Smog gäbe) kann man bis zur Mündung des Jangtse im Ostchinesischen Meer sehen. Wir hatten auch einen guten Blick auf eines der bekanntesten Wahrzeichen Shanghais, den architektonisch herausragenden Oriental Pearl Tower (468 m). Direkt neben dem Jin-Mao-Hochhaus entsteht das Shanghai World Financial Center, ursprünglich als höchster Wolkenkratzer der Welt geplant (ca. 490 m). Doch obwohl die genaue Höhe noch geheim ist, wird der Burj el Arab in Dubai wohl auf jeden Fall höher sein.
Am Abend machten wir mit dem Bus eine sogenannte „Lichterfahrt“. Zunächst ging es zum „Bund“, der berühmten Uferpromenade des Huangpu-Flusses. Der Blick auf die beleuchteten Hochhäuser von Pudong auf der anderen Seite des Flusses war sehr beeindruckend. Besonders schön wirkte der Oriental Pearl Tower. Allerdings ist auch der Stromverbrauch immens und im Sommer, wenn in der ganzen Stadt die Klimaanlagen laufen, muss die Beleuchtung abgeschaltet werden. Die Fahrt ging weiter zur „Altstadt“. Sehr viele alte Gebäude gibt es hier jedoch nicht: im traditionellen Stil wurden neue Gebäude errichtet, in denen sich vor allem Geschäfte befinden. Die Häuser sind mit Lichterketten dekoriert und erinnerten irgendwie an Weihnachtsbeleuchtung.
90. Tag – 30.03.2006
Vormittags besuchten wir eine der wichtigsten religiösen Stätten Shanghais, den Jadebuddha-Tempel. Dieser wurde Ende des 19. Jahrhunderts für zwei Buddha-Statuen aus Jade errichtet, die ein Pilgermönch in Birma geschenkt bekam und nach Shanghai mitbrachte. Heute leben etwa 70 Mönche hier, die dem Ansturm der Gläubigen und Touristen mit buddhistischer Gelassenheit begegnen. Kurz vor dem buddhistischen Totenfest, besuchten sehr viele Gläubige den Tempel. Sie verbrannten tütenweise Papierrollen mit guten Wünschen und Papiergeld für die verstorbenen Ahnen. An den wunderschönen Buddha-Statuen aus Jade wurden wir leider relativ schnell vorbeigeschleust.
Auf dem Weg zur Altstadt konnten wir teilweise noch das alte Shanghai und die traditionellen Lebensweisen erahnen: Strom- und Telefonkabel hingen überall in der Luft, Wäsche wird an abenteuerlichen Konstruktionen aufgehängt, die an Laternenpfählen und den Fassaden der modernen Hochhäuser befestigt sind. In der Altstadt bummelten wir dann vorbei an den vielen Souvenirgeschäften zur Zickzack-Brücke, einer weiteren Touristenattraktion. Die Brücke ist tatsächlich im Zickzack gebaut, um die bösen Geister zu verwirren – die können nach chinesischen Glauben nämlich nur geradeaus gehen.
Nach dem Mittagessen hatten wir Zeit für einen Spaziergang am „Bund“ und bewunderten die historischen Gebäude, in denen während der Kolonialzeit Banken, Konsulate und Vertretungen internationaler Unternehmen residierten. Von dort ging es zur Nanjing Lu, eine der größten Einkaufsstraßen der Welt, und wir bummelten vorbei an luxuriösen Einkaufszentren, Designergeschäften, Restaurants und Cafés.
Das Nachmittagsprogramm bestimmten wir diesmal mit: die Mehrheit der Gruppe entschied sich für eine Fahrt mit dem Transrapid und anschließenden Museumsbesuch. Der Transrapid verbindet Pudong, das Finanzzentrum von Shanghai, mit dem Internationalen Flughafen. Mit der U-Bahn fuhren wir zum Transrapid-Bahnhof und unser Reiseleiter Herr Han gab sein Bestes keinen aus den Augen zu verlieren. Die Riesenstadt Shanghai hat übrigens nur zwei U-Bahn-Linien, aber bis zur Expo 2010 sollen weitere entstehen. Der Transrapid braucht für die 30 km lange ca. 8 Minuten – unglaublich. Dabei erreichte er eine Höchstgeschwindigkeit von 431 km/h – allerdings nur für ca. 1 Minute, dann musste schon wieder gebremst werden. Die Fahrt war schon ziemlich wacklig und am Fenster flogen die Häuser nur so vorbei. Fahrende Autos sahen aus, als ob sie parken würden! Herr Wir waren zwar ziemlich beeindruckt von der technischen Leistung, an der Sinnhaftigkeit des Projektes für so eine kurze Strecke zweifeln wir aber immer noch stark. Schönen Gruß übrigens an Herrn Stoiber. Trotz des rasanten Tempos war es nach unserer Rückkehr vom Flughafen dann leider doch zu spät für einen Besuch im Shanghai Museum.
Am Abend besuchten wir eine Akrobatikshow im Yun-Feng-Theater. Unglaublich was die Artisten mit ihrem Körpern anstellten und in wie viele Richtungen sie sich verbiegen konnten, das tat uns teilweise schon beim zugucken weh! Und scheinbar gibt es keinen Gegenstand mit dem man nicht jonglieren kann. Die Show war wirklich faszinierend und sehr unterhaltsam. Den spektakulären Abschluss nach über zwei Stunden bildeten fünf Motorradfahrer, die in einer Stahlkugel ihre Kunststücke vorführten.
Nach der Rückkehr ins Hotel machten wir uns wieder mal auf die Suche nach einem Internetladen. Mit Hilfe von Herrn Han fanden wir auch einen Riesenladen, den wir bestimmt alleine übersehen hätten. Wir ließen uns diesmal die Schriftzeichen aufmalen, um das nächste Mal alleine erfolgreich zu sein. Leider konnten wir auch diesmal unsere Homepage nicht aufrufen. Wir geben auf – vor Hongkong werden wir wohl nix einstellen.
91. Tag – 31.03.2006
Vor dem Frühstück gingen wir zu einem kleinen Park in der Nähe des Hotels und beobachteten die Einheimischen bei ihrem Frühsport. Unser Reisleiter hatte uns den Tipp gegeben. Trotz der frühen Stunde (erst 7 Uhr), waren jede Menge Leute da. In Gruppen wurde Tai Chi sowie Tanzen mit Fächern, Stöcken oder Tüchern praktiziert. Einige hatten ihre Ziervögel im Käfig mitgebracht. Wir trafen auch die Hälfte unserer Reisegruppe. Schon nach kurzer Zeit waren wir in eine interessante Konservation mit einem älteren chinesischen Herrn verwickelt, der seine Englischkenntnisse anwenden wollte. Schnell bildete sich eine Traube neugieriger chinesischer Zuhörer. Wahrscheinlich war es für sie auch interessant, mal ein paar ‚Langnasen’ aus der Nähe zu sehen.
Vor der Abfahrt zum Flughafen nahmen wir von unserem roten chinesischen Koffer Abschied. Eigentlich war er ja nach zwei Reisen im Gepäckwagon der chinesischen Bahn nur noch eine Kofferruine. Aber für den Preis, den wir in Peking dafür bezahlt hatten (etwa 7 €), konnten wir wohl auch nix Besseres erwarten.
Mit dem Flugzeug ging es dann nach Guilin am Li-Fluß. Die Region um Guilin mit ihren ca. 9 Mio. Einwohnern wird jedes Jahr von etwa 10 Mio. Touristen besucht. Bei unserer Ankunft regnete es in Strömen. Unser lokaler Reiseleiter erwartete uns schon und wir fuhren direkt zu einer der Touristenattraktionen von Guilin, dem Elefantenrüsselberg. Nach einem kurzen Bummel an der Uferpromenade (es regnete immer noch) fuhren wir zu einer Parkanlage, in der vor wenigen Jahren zwei Pagoden in einem See neu errichtet wurden.
Zum Abschluss des Abendessens gab es einen für die Region typischen Zimtschnaps (ihr wisst schon, für gutes Wetter am nächsten Tag) und wir machten uns danach auf den Weg ins Stadtzentrum. Dort sahen wir uns eine einzigartige Wassershow an: an der Front eines Hotels wird an den Wochenenden zu Musik einer der höchsten künstlichen Wasserfälle der Welt in Szene gesetzt. Tausende Kubikmeter Wasser strömen vom Dach des Hotels über die Glasfront nach untern. Herr Han hatte uns übrigens vor Taschendieben und den Blumenkindern, die wirklich sehr hartnäckig sein können, gewarnt. Wir stellten auch fest, dass Chinesen scheinbar alles schön finden, was bunt leuchtet. So waren die Pagoden am See mit Lichterketten im schönsten Grün und Rot verziert. Weiter ging es zum Nachtshopping, um eine Jeans für Andrea zu finden. Gar nicht so einfach und sehr frustrierend. Es gab nix in ihrer Größe – alles zu eng! Wir wollten schon fast aufgeben, als wir endlich fündig wurden: eine Jeans für ca. 10 € inkl. Kürzen. Unglaublich! Während wir auf die Änderung der Hose warteten, hatten wir dann ein weiteres ungewöhnliches Erlebnis: vor unseren Augen ging ein Geschäftsinhaber auf Rattenjagd – erfolgreich. Und vom Geruch der stinkenden Straßenküchen konnte einem echt übel werden.
Noch mehr Bilder gibt´s in unserem Webalbum.
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