140. Tag – 19.05.2006Nach einem guten Frühstück verabschiedeten wir uns von Renu. Das New Delhi Bed & Breakfast war für uns ein zweites Zuhause geworden. Gegen 10:00 Uhr machten wir uns mit einem Taxi auf den Weg zum Flughafen. Heute Morgen hatte es geregnet, an vielen Stellen stand das Wasser 10-20 cm in den Straßen, weil die Kanalisation überlastet war. Beim Einchecken lernten wir dann wieder die indische Form des Wartens kennen. Andrea steht bereits am Schalter von Spicejet und legt unsere Pässe vor. Lothar will das Gepäck aufs Band stellen, als er rechts von einer indischen Familie überholt wird, die zielstrebig ihre Koffer platziert. Incredible India, aber nicht mit uns!Unser heutiges Ziel war Mumbai, besser bekannt als Bombay. Besonders Lothar war sehr gespannt, schließlich hatte sein Großvater hier 12 Jahre gelebt und gearbeitet. Mumbai ist die wichtigste Hafenstadt Indiens und mit fast 14 Mio. Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt der Welt. Das Stadtzentrum liegt auf einer langgestreckten Halbinsel im Süden der Insel Salsette. Diese Halbinsel entstand hauptsächlich im 18. und 19. Jahrhundert, indem sieben einzelne Inseln durch Landgewinnung miteinander verbunden wurden. Mumbai blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Das Gebiet wurde bereits um 1.500 vor Christus besiedelt und gehörte bis zur Ankunft der Europäer verschiedenen buddhistischen, hinduistischen und muslimischen Reichen an. Den Namen erhielt die Stadt vom portugiesischen Seefahrer Francisco de Almeida, der 1508 im natürlichen Hafen der damaligen Insel Bombay landete. Aufgrund der guten Bedingungen, die er vorfand nannte er die sie „Bom Bahia“ also „Gute Bucht“. Nach etwa 150 Jahren portugiesischer Kolonialzeit fiel das Gebiet an die Briten, die aus dem portugiesischen Namen „Bombay“ machten. 1995 beschloss die Regierung des Bundestaates Maharashtra die Stadt offiziell Mumbai zu nennen. So wird die Stadt von der einheimischen Bevölkerung nach der Hindu-Göttin Mumbadevi genannt. Mumbai hat heute aufgrund der Überbevölkerung mit zahlreichen Umweltproblemen zu kämpfen: unzureichende Entsorgungskapazitäten, verseuchtes Wasser, Luftverschmutzung, Mangel an Trinkwasser und Überschwemmungen während der Monsunzeit. Über die Hälfte der Einwohner lebt in Slums. Trotz der zahlreichen Probleme gilt Mumbai als das wirtschaftliche Zentrum Indiens und als die bedeutendste und reichste Stadt des Subkontinents. Vom Flughafen aus fuhren wir mit einem der zahlreichen gelb-schwarzen Taxis nach Colaba, einem Stadtteil im Süden Mumbai’s, zum „Bentley’s Hotel“. Der Verkehr kam uns nicht ganz so chaotisch wie in Delhi vor. Das lag sicher daran, dass hier nicht so viele Tuk-Tuks rumkurvten, die im Zentrum von Mumbai ganz verboten. Das Hotel war so lala, nicht besonders sauber. Wir machten einen ausgedehnten Abendspaziergang und suchten gleich nach einer neuen Unterkunft. Dabei kamen wir auch am „Taj Mahal Palace Hotel" vorbei. Es wurde 1903 vom Industriellen Jamshedji Tata errichtet, einem indischen Parsi. Angeblich wurde ihm der Zutritt zu den europäischen Hotels verwehrt, da er ein Einheimischer war. Als Antwort darauf ließ er das beste und exklusivste Hotel von ganz Indien bauen. Wir guckten mal kurz rein, alles sehr exquisit und beeindruckend, jedoch nicht in unserer Preisklasse. Wir entschieden uns stattdessen für das „Apollo Hotel“, das zwar nicht vergleichbar, aber immerhin noch doppelt so teuer wie das Bentley’s war. Für die letzten Tage wollten wir uns mal was Besonderes gönnen. 141. Tag – 20.05.2006Morgens frühstückten wir noch im Bentley’s Hotel, wie erwartet nicht so toll, und zogen dann ins Apollo Hotel um. Danach machten wir uns auf zum „Gateway of India“, Mumbai’s berühmtesten Wahrzeichen. Es wurde 1924 eröffnet und wurde ursprünglich zur Erinnerung an den Besuch König Georg V. errichtet. Heute gilt es als Indiens „Triumphbogen“, denn hier verließen am 28. Februar 1948 die letzten britischen Truppen das Land. Von hier legen auch die Touristenboote zur Insel Elephanta ab, die wir heute besuchen wollten. Die Insel ist berühmt für die aus Stein gehauenen Höhlen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Die Fahrt zur Insel dauerte etwa eine Stunde. Wir hatten das Gefühl unser Tuk-Tuk-Boot würde gar nicht voran kommen. Wir hatten vom Boot auf einen tollen Blick auf die langgezogene Bucht von Colaba. Vom Pier läuft man dann etwa einen Kilometer zu einer Treppe, die zum Eingang führt. Die Treppe war gesäumt von kleinen Ständen mit Souvenirs, Essen und Getränken. Andrea machte die Bekanntschaft eines ziemlich aggressiven Affen, der ihr die Chipstüte aus der Hand klauen wollte. Schon etwas beängstigend. Die berühmten Höhlentempel, die dem Gott Shiva gewidmet sind, wurden wahrscheinlich im 6. Jahrhundert aus dem Felsgestein geschlagen. Es gibt insgesamt sechs Höhlen, die aber teilweise unvollendet oder nicht zugänglich sind. Wir machten eine sehr interessante Führung über das Gelände. Die Reliefs und Figuren in den Höhlen sind teilweise stark beschädigt, da sie von den portugiesischen Kolonialherren für Schießübungen missbraucht wurden. In der Haupthöhle ist eine Statue von Shiva mit drei Gesichtern zu sehen, die uns an die Tempel in Angkor erinnerte. Anschließend machten wir einen kleinen Rundgang über die Insel. Wir stiegen auf einen Hügel, wo zwei riesige Kanonen der Briten aus dem 2. Weltkrieg stehen und von dem man einen guten Ausblick auf Mumbai hat. Auf dem ganzen Gelände gab es ziemlich viele Affen, die um Futter bei den Touristen bettelten. Auf Rückfahrt nach Mumbai fiel uns wieder mal das Umweltverhalten der Inder auf: eine leer getrunkene Plastikflasche wurde einfach ins Meer geworfen. Für uns schon irgendwie schockierend. Bei unserer Ankunft am „Gateway of India“ war dort sehr viel los. Viele Einheimische nutzen die Gegend für nachmittägliche und abendliche Spaziergänge. Abends noch eine Supernachricht: wir haben Tickets für das Viertelfinale der Fußball-WM bekommen! Haben sich die Bewerbungsprozeduren im Internet doch gelohnt! 142. Tag – 21.05.2006 Heute bekamen wir das Frühstück sogar aufs Zimmer gebracht. Gegen 11:00 Uhr brachen wir zur Stadtbesichtigung auf. Mit dem Taxi ging es zum Chhatrapati Shivaji Terminus (früher Victoria Terminus genannt), einem der weltweit größten Bahnhöfe. Das im 19. Jahrhundert erbaute Gebäude zählt zum Weltkulturerbe und ist wirklich beeindruckend. Die Architektur ist einzigartig, da sie britische neogotische und indische Stilelemente verbindet. Trotz der Geschäftigkeit ging es geordneter als in Delhi zu. Leider fing unsere Kamera an sporadisch zu streiken. Wir machten einen kleinen Rundgang durch den Bahnhof und das umliegende Gelände. Besonders interessant fanden wir ein riesiges Cricketfeld, auf dem scheinbar mehrere Übungsspiele gleichzeitig liefen. Am Rand sahen wir auch das andere Gesicht von Indien: zahlreiche Hütten und Zelte von Obdachlosen. Die Gegensätze in Indien sind manchmal schon erschreckend. Weiter ging es zum Crawford Market. Vor dem Eingang probierten wir frisch gepressten Zuckerrohrsaft, ganz erfrischend. Auf dem Basar gab es eigentlich alles zu kaufen: Kleidung, Obst, Gemüse, lebende Tiere. Die Fleischabteilung entsetzte uns allerdings wegen der katastrophalen hygienischen Verhältnisse. Wir konnten es hier nicht aushalten, einfach nur schnell raus. Gar nicht drüber nachdenken, ob auch die Restaurants, in denen wir essen, hier einkaufen. Dann nahmen wir ein Taxi zur Chowpatty Beach, einem beliebten Strand Mumbai’s. Das Wasser war sehr schmutzig, angeschwemmte Plastiktüten und –flaschen neben anderem unidentifizierbaren Strandgut. Aber einige Inder badeten trotzdem. Bei unserem Spaziergang entlang der Strandpromenade kamen wir auch an einem Schwimmbad nur für Hindus vorbei. Das erinnerte uns daran, dass die verschiedenen Volksgruppen Mumbai’s wie Hindu, Muslime, Buddhisten, Christen und Sikhs nicht immer ganz friedlich zusammen leben. So gab es in den letzten Jahren einige Bombenanschläge, die muslimischen Terrororganisationen zugeschrieben werden und die rechtsradikale Hindu-Partei „Shiv Sena“ hat viele Anhänger.Am Nachmittag machten wir noch einen Spaziergang durch Colaba. Plötzlich sieht Lothar das Motiv für das Foto des Jahrhunderts: in einem alten Auto sitzen zwei Erwachsene und zehn (!) Kinder. Schnell den Fotoapparat gezückt, die Insassen lächeln sogar und warten auf den Auslöser. Und was passiert? Dieser sch… Fotoapparat funktioniert nicht, hat mal wieder den Geist aufgeben. Lothar hadert mit dem Schicksal und für den Rest des Tages schlecht gelaunt. Für die letzten Tage holten wir uns eine Einweg-Kamera. 143. Tag – 22.05.2006 Für heute hatten wir einen Stadtrundgang durch das Maidan- und das Fort-Viertel geplant. Kaum aus dem Hotel raus, wurden wir von einer jungen Inderin angesprochen, ob wir bei einem Bollywood-Film mitmachen wollen. Leider scheitert unsere Filmkarriere am Abflugtermin. Die Aufnahmen sollen morgen Abend beginnen, da geht aber schon unser Flieger in Richtung Heimat. Die Route für unsere Tour hatten wir aus dem Lonely Planet. Zunächst ging es zum Regal Circle, einem Kreisverkehr nahe unserem Hotel. Von dort hatten wir einen guten Blick auf das Regal Cinema, ein Artdeco-Gebäude, und das historische Majestic Hotel. Weiter ging es entlang der Mahatma-Ghandi-Straße vorbei am Elphinstone College und der David Sassoon Library, zwei weiteren besonders schönen historischen Gebäuden. Am Straßenrand gab es zahlreiche Stände mit Büchern, super billig. Andrea kaufte sich „Holy cow“, ein Buch, das uns Renu empfohlen hatte. Es handelt von einer jungen Australierin, die ihre Erlebnisse in Indien beschreibt. Die Route führte weiter zur Knesseth Eliyahod Synagoge bis zum Flora-Springbrunnen. Dieser wurde 1869 zu Ehren des britischen Gouverneurs von Bombay Sir Bartle Frere errichtet, der als Wegbereiter des modernen Mumbai gilt. Weiter gings vorbei an der St. Thomas-Kathedrale, dem ältesten englischen Gebäude Mumbai’s und dem Bombay High Court, dem Gerichtshof. Leider waren im Moment Sommerferien, so dass wir bei keiner Verhandlung zuschauen konnten. Letzte Station war die University Library und Convocation Hall. Beide Gebäude wurden im Stil der französischen und italienischen Gotik des 14. Jahrhunderts errichtet und zeugen noch heute von den glanzvollen Zeiten der britischen Kolonialherrschaft. Zurück ins Hotel fuhren wir mit dem Taxi, vom Laufen hatten wir erstmal genug. 144. Tag – 23.05.2006 Unseren letzten Tag in Indien begannen wir früh, wir wollten den Fischmarkt von Colaba besuchen. Entlang des Kais schlenderten wir in Richtung des Sassoon Docks, wo der Markt sein sollte. Entweder waren wir schon zu spät oder in die falsche Richtung gelaufen, jedenfalls fanden wir keinen Fischmarkt. Dafür konnten wir auf dem Weg einen Einblick in die „Wohnverhältnisse“ des Viertels gewinnen: Auf der Straße sahen wir zahlreiche Schlafgestelle oder auch nur Schlafplätze aus Decken, die langsam in die Hausflure geräumt wurden. Die Leute putzten sich auf der Straße die Zähne oder wuschen ihre Wäsche. Für uns war es überraschend, dass nur ein paar hundert Meter vom normalen Touristenpfad entfernt, die Armut so deutlich sichtbar war. Nach dem Frühstück packten wir unsere Sachen. Die konnten wir bis heute Abend im Hotel stehen lassen. Die letzten Stunden verbrachten wir damit, ein paar Souvenirs zu kaufen. Lothar hatte besonders viel Spaß daran, mit den Straßenhändlern zu feilschen. Aber es hat sich gelohnt, denn wir erstanden einige schöne Erinnerungsstücke. Im Hotel konnten wir dann sogar noch mal duschen, obwohl wir schon ausgecheckt hatten. Echt super Service. Bis zum Abflug war noch reichlich Zeit, die wir für einen Kino-Besuch nutzen. Leider lief gerade kein Bollywood-Film und so sahen wir uns die Hollywood-Produktion „Poseidon“ an. Wieder gab es am Anfang die Nationalhymne, wie in Thailand. Scheint in Asien üblich zu sein, um den Nationalstolz zu stärken. Der Film war zwar in Englisch, hätte aber auch in Hindi sein können. Die schlichten Dialoge und Handlung machten es einfach, dem Geschehen zu folgen. So gegen 22 Uhr machten wir uns auf dem Weg zum Flughafen. Zum Abschied erlebten wir noch mal das übliche indische Verkehrschaos. Auf dem Flughafen hatten wir dann leichte Orientierungsschwierigkeiten. Vor dem Einchecken und Ausstellen der Tickets muss man sein gesamtes Gepäck von Sicherheitsleuten durchleuchten lassen. Jede Fluggesellschaft hat dafür ihren eigenen Stand, leider ist nicht immer ersichtlich wo. Hat schließlich doch alles geklappt, wir hatten unsere Tickets in den Händen und warteten auf den Flieger in Richtung Heimat. Incredible India! Wir hatten schon vermutet, dass man das auch doppeldeutig sehen kann. Indien ist auf jeden Fall eine Reise wert. Leider hatten wir die Klimaverhältnisse total falsch eingeschätzt. Zusammen mit dem normalen indischen Chaos und den „indischen Touristenkrankheiten“ war das einfach zuviel für uns. Wir hatten Glück im Unglück, dass wir einen Zufluchtsort bei Renu gefunden hatten. Irgendwann wollen wir Indien noch mal besuchen. 145. Tag – 24.05.2006 Unser Flug startete pünktlich um 2:15 Uhr, war lang und ereignislos. In London Heathrow mussten wir umsteigen und mit dem Bus zu einem anderen Terminal. Es ging so chaotisch zu, dass wir uns vorkamen, als hätten wir Indien nie verlassen. Der Bus vor uns fuhr halb leer los, obwohl noch jede Menge Leute warteten. Der Fahrer des nächsten Busses war – es war kaum zu glauben – ein eingewanderter Inder, am Turban als Sikh zu erkennen. Er wartete bis der Bus so voll gestopft war, dass man kaum Luft holen konnte. Die Geschwindigkeitsbegrenzung und Fahrwege am Flughafen hielt er zumindest ein. Kurz nach 12 Uhr standen wir wieder auf deutschem Boden, genauer gesagt in Düsseldorf. Wir waren fasziniert von der Sauberkeit am Flughafen. Hier wurde sogar der Müll getrennt. Manche Sachen weiß man halt erst zu schätzen, wenn man längere Zeit im Ausland gewesen ist. 145 Tage waren wir jetzt unterwegs gewesen. Insgesamt waren wir mehr als zufrieden mit dem was wir alles gesehen und erlebt hatten. Doch wir waren auch ziemlich erschöpft und Indien hat uns sozusagen den Rest gegeben. Die WM-Pause kommt jetzt genau richtig. Mitte Juli, nach dem WM-Endspiel, sollte es weitergehen. Wann genau und wohin wussten wir noch nicht. Noch mehr Fotos gibt´s in unserem Webalbum.
134. Tag – 13.05.2006Heute sollte es trotz aller Widrigkeiten in den Norden gehen. Zwar etwas teuerer als die Zugfahrt, dafür aber bequemer und schneller, dachten wir zumindest. Wir freuten uns schon darauf, endlich ein paar Tage unterhalb der 40 Grad-Marke zu verbringen. Um 8 Uhr hieß es Abschied nehmen von Renu und Paul, sowie dem etwas übergewichtigen, aber liebenswerten Hund Doogie. Die Stationen unserer Fahrt zum 200 km entfernten Corbett-Nationalpark hatte uns Renu sicherheitshalber noch aufgeschrieben, so konnten wir immer überprüfen, ob der Fahrer auf dem richtigen Weg war.Kurz nachdem wir Delhi verlassen hatten, kamen wir zu einer indische Autobahn. Gegen eine Gebühr konnten wir weiterfahren. Anscheinend ist nur in Deutschland das Fahren auf der Autobahn kostenlos. Apropos deutsche Autobahn: Das man diese Schnellstraße nicht mit unserer Autobahn vergleichen kann, war uns eigentlich klar. Es ging zwar schneller, im Durchschnitt 50 km/h, ansonsten herrschte aber das übliche indische Chaos.Bis 10 Uhr sind wir relativ gut vorangekommen, doch dann begann das Unheil. Ein LKW war umgekippt. Wie fast alle, die wir sahen, total überladen. Über einen Feldweg konnten wir die Unfallstelle elegant umfahren, um nach kurzer Zeit wieder in einen Stau zu geraten. Disziplin ist für indische Autofahrer, unserer Fahrer eingeschlossen, ein absolutes Fremdwort. Sobald sich eine Lücke aufgetan hat, fuhr auch schon einer rein. Der Seitenstreifen, soweit man von einem solchen überhaupt sprechen konnte, wurde natürlich mitbenutzt. Teilweise standen auf der einspurigen Straße vier Autos nebeneinander in eine Richtung. Das dadurch der Gegenverkehr auch nicht weiter kommt, war uninteressant. Es ging gar nichts mehr. Erst als nach Stunden Soldaten sich der Sache (mehr oder weniger geschickt) annahmen, entspannte sich die Situation. Insgesamt brauchten wir für 5 Kilometer 5 Stunden.Nach Überquerung des Ganges lief der Verkehr wieder normal. Erst später erfuhren wir, das heute Buddha Purnima, ein hinduistischer Feiertag, war. An diesem Tag wird die Geburt Buddhas, seine Erleuchtung und das Erreichen des Nirwana gefeiert. An diesem Tag, jedoch in unterschiedlichen Jahren, sollen die Ereignisse stattgefunden haben. Gerade an diesem Tag wird natürlich eine rituelle Reinigung im Ganges von Pilgern bevorzugt. Ein Bad im heiligen Fluss soll von Sünden befreien. Viele Inder wollen auch am Ganges sterben oder das ihre Asche im Fluss verstreut wird. Ganga ist der indische Name für den Fluss Ganges und auch der Name einer Göttin im Hinduismus. Der Fluss ist die Personifizierung dieser Gottheit. Das die reinigende Wirkung eines Flussbades – wenn überhaupt – nur religiösen Gesichtspunkten standhält, merkt man schnell, wenn man sich die Umweltbilanz dieses Flusses genauer anschaut. Der Ganges gehört bestimmt zu den schmutzigsten Flüssen überhaupt. Die Belastung von Kolibakterien ist bis zum 2000mal höher als erlaubt. Die bisherigen Umweltschutzmaßnahmen haben nur wenig Erfolg gezeigt. Gegen 19 Uhr haben wir schließlich unser Ziel, das Tiger Camp am Corbett-Nationalpark erreicht. Wir waren angenehm überrascht über die Ausstattung und Größe des Zimmers. Entsprach durchaus westlichen Ansprüchen. Und es gab endlich mal wieder eine Badewanne, was Andrea natürlich am Abend ausnutzte. Das Essen bzw. das Buffet war auch in Ordnung. Vorm Schlafengehen machten wir noch einen kurzen Spaziergang außerhalb der Anlage. Einen Moment hatten wir nicht aufgepasst und schon sind wir wieder in eine indische Hochzeitfeier geraten. Kaum hatte man uns gesehen, wurden wir auch schon gebeten mitzufeiern. Die Inder sind wirklich gastfreundlich, so unser Eindruck nach ein paar Wochen. Die Hochzeitsfeier war weniger formell, als die die wir in Delhi gesehen hatten. Entsprach eher unserem Polterabend. Es gab sogar einen Diskoboden, mit Lichtern. Andrea mit Ihren blonden Haaren fiel natürlich besonders auf. Wieder zurück buchten wir für morgen früh eine Dschungelführung und für den Nachmittag eine Jeep-Safari.135. Tag – 14.05.2006Auf der Suche nach dem Tiger, so könnte man unser Motto im Corbett-Nationalpark beschreiben. Der ca. 520 km² große Nationalpark entstand 1936 maßgeblich auf Initiative des in Indien sehr berühmten Jägers und Buchautors Jim Corbett. 1957 wurde der Nationalpark zu seinen Ehren nach ihm umbenannt. Corbett hat über ein Dutzend Menschen fressender Tiger und Leoparden (man-eater) erlegt, die für den Tod von rund 1.500 Menschen verantwortlich waren. Er erschoss u.a. den Champawat Tiger und den Panar Leoparden, die jeweils über 400 Menschen töten.Um 7 Uhr startete unsere morgendliche Wanderung mit Führer. Der Dschungel oder besser gesagt die Wildnis beginnt direkt hinter dem Camp. Allein sollte man nicht losgehen, wurden wir gewarnt. Machten wir auch nicht. Unser Guide war sehr gut und vor allem hilfreich. Jede Menge interessanter Dinge über die Tiere und die Natur haben wir von ihm erfahren. Hauptsächlich Vögel konnten wir beobachten. Ohne ihn hätten wir sie in den Bäumen nicht erkannt. Einige Rehe und die Spuren eines wilden Elefanten haben wir auch entdeckt. Der Elefant war als Einzelgänger unterwegs und demzufolge als gefährlich einzustufen. Nach 2 Stunden war die Wanderung zu Ende und wir freuten uns auf das Frühstück.Mit unserem gemieteten Landrover wollten wir danach die Gegend erkunden. Unser Fahrer Sanseev hatte die Nacht im Auto verbracht und war froh, mit uns jetzt etwas unternehmen zu können. Erste Station war ein Wasserfall, in dem sich jede Menge Inder Abkühlung verschafften. Nächste Station war das Jim Corbett-Museum. Hier haben wir viel über den berühmten Jäger erfahren, der ganz in der Nähe, in Nainital, geboren wurde. Jim Corbett hat auch einige Bücher über seine Abenteuer geschrieben, die in Großbritannien und Indien sehr populär sind. Wieder zurück im Camp gönnten wir uns nach einem guten Lunch erstmal ein Mittagsschläfchen. Um 15 Uhr ging es weiter.
Diesmal sollte es mit dem Jeep in den eigentlich (geschützten) Park gehen, der ca. 45 min vom Tiger Camp entfernt war. Wir hatten einen neuen Führer bekommen, der sich leider mehr auf das Fahren, als auf Informationsweitergabe konzentrierte. Egal, war trotzdem spannend. An den wichtigen Stellen hielt er an und machte uns auf die gefährlichen Tiere der Wildnis aufmerksam, wie z.B. Affen, Pfauen und vor allem Rehe. Nach ca. 4 Stunden war unsere Jeep-Safari zu Ende. Wir waren schon ein wenig enttäuscht, wollten es aber morgen früh noch mal probieren.136. Tag – 15.05.2006Punkt 4:30 Uhr wurden wir geweckt. Kaffee und Tee mit ein paar Keksen standen vor der Tür. Eine halbe Stunde später ging´s auch schon los. Morgens sollen ja die Tiger besonders gut anbeißen. Der heutige Ausflug führte uns in den Hauptteil des Parks. Am Eingang warteten schon ein halbes Dutzend anderer Gruppen mit ihren Jeeps. Wir hatten diesmal auch einen offiziellen Rancher des Parks dabei. Leider war er auch nicht viel besser als sein Vorgänger.Die üblichen Verdächtigen des Vortages Muntjaks und Axishirsche wurden gesichtet. Teilweise recht gut getarnt. Insgesamt ist am frühen Morgen doch mehr los. Dann plötzlich Aufregung. Unser Führer hat Tigerspuren entdeckt. Die Spuren sind noch frisch. Ein anderer Jeep kommt dazu. Wir nähern uns ganz leise und bleiben dann ganz still stehen und warten. Die Spannung ist kaum auszuhalten. Man hört Warnschreie der Affen. Ein gutes Zeichen, der Tiger muss ganz in der Nähe sein. Nach 10 Minuten geben wir dann doch auf und fahren weiter. Leider sind wir für den Rest der Tour einem Tiger nicht näher gekommen. Über ein ausgetrocknetes Flussbett – es ist im Moment Trockenzeit – fuhren wir zurück ins Camp. Wir wollten keinen weiteren Versuch starten und beschlossen unsere Sachen zu packen und nach Nainital zu fahren. Ein bisschen enttäuscht waren wir schon vom Corbett-Nationalpark. Nachdem wir im Garten noch schnell ein Foto mit Tiger, genauer gesagt einem Stofftiger, gemacht hatten, sagten wir goodbye. Die Fahrt nach Nainital war sehr schön. Wir fuhren über viele Serpentinen und bewunderten die beeindruckende Berglandschaft am Fuße des Himalajas. Gegen 13 Uhr hatten wir unser Ziel erreicht. Eine Unterkunft war auch schnell gefunden und entsprach unseren (geringen) Ansprüchen. Eine Vorauswahl hatten wir mit Hilfe des Lonely Planets getroffen. Nainital liegt ca. 2000m über dem Meersspiegel und ist ein bekanntes Touristenziel in der Region. Im Winter kann man hier auch Ski fahren, es gibt einige Seilbahnen. Von unserem Hotelzimmer hatten wir einen herrlichen Blick auf den See. Nach dem Mittagessen legten wir uns erstmal hin. Lothar ging es nicht so gut, er brütete was aus.Am späten Nachmittag machten wir einen kleinen Spaziergang durchs Dorf. In Nainital gibt es einen großen Dorfplatz. Dort fand gerade ein Cricketspiel statt. Wir schauten eine Zeit lang zu, gingen aber relativ schnell wieder weiter. Was für ein langweiliges Spiel. Wir kann man nur Stunden, manchmal sogar Tage, einem solchen Spiel zuschauen? Zumindest bei dieser Sache haben die Inder viel von den Briten gelernt und sind sogar Weltspitze. Genau so beschaulich ging es am anderen Ende des Dorfplatzes zu. Hier war eine kleine Kirmes mit Flohmarkt aufgebaut. Wir schlenderten ein wenig entlang der Stände und bewunderten das kleine Riesenrad. Anscheinend wurde es mit einem Zwei-Takt-Motor angetrieben, so interpretieren wir zumindest die Motorgeräusche. Unseren kleinen Ausflug mussten wir aber vorzeitig abbrechen. Die „indische Krankheit“ hatte Lothar wieder in ihren Bann gezogen. Neben Durchfall und Erbrechen kam jetzt auch noch eine Erkältung hinzu. Ihm ging es wirklich schlecht. Andrea besorgte Medikamente in der Apotheke.137. Tag – 16.05.2006Lothar geht es immer noch schlecht. Wir beschließen hier zu bleiben und nicht weiter nach Raniketh zu fahren. Andrea schlägt vor, eine kleine See-Tour zu machen und fragt, ob er sich fit genug dafür fühlt. Lothar interpretiert: Mit dem Auto einmal um den Nainital-See fahren; Fahrzeit ca. 30 Minuten; bei „Bedarf“ so oft wie möglich anhalten; alles sehr relaxt; im Notfall kurzfristig zurück. Andrea meint aber: Eine Tour zu den benachbarten Seen; Fahrzeit ca. 3 – 4 Stunden. Lothar stimmte dem Vorschlag guten Gewissens zu. Das Verhängnis nahm seinen Lauf. Erste Zwischenstation war ein Hindu-Tempel auf einer nahe gelegenen Bergspitze. Wenig spektakulär, aber trotzdem schön anzusehen. Man hatte eine sehr schöne Aussicht auf die umliegenden Täler. Auch hier, wie schon mehrmals zuvor, fiel uns auf, wie achtlos die Inder mit ihrer Umwelt umgehen. Der Abfall wird einfach weggeschmissen. Interessiert doch keinen.Weiter ging´s zum ersten See. Fahrzeit: eine Stunde, immer die Serpentinen rauf und runter, also genau das Richtige für einen, der die halbe Nacht auf der Toilette verbracht hatte. Unser Kommunikationsproblem wurde offensichtlich und es kam zur Aussprache beim nächsten Halt. Ergebnis: Kompromiss. Lothar raffte seine letzten Kräfte für eine etwas verkürzte Seen-Tour zusammen und Andrea gelobte in Zukunft (noch) mehr Einfühlungsvermögen an den Tag zu legen. Unter normalen Bedingungen wäre es bestimmt für uns beide ein schöner Ausflug gewesen. Die Landschaft erinnerte uns stark an die Alpen, nur die Häuser waren anders. Am Horizont konnte man den Himalaja erahnen. Auf dem Rückweg versuchte ein Polizist uns anzuhalten. Unser Fahrer haute einfach ab. Anscheinend hatte er keine Genehmigung, Touristen zu befördern. Zu allem Unglück mussten wir jetzt auch noch einen Umweg in Kauf nehmen, um dem Polizisten nicht noch mal zu begegnen. Zurück im Hotel musste sich Lothar erstmal erholen. Wir beschlossen, morgen nach Delhi zurückzufahren. Es wäre ansonsten zu knapp geworden mit dem Flug nach Mumbai. Wir hatten ja noch keine Flugtickets.138. Tag – 17.05.2006Um 7 Uhr klopften wir an die Scheibe des Mietautos. Unser Fahrer hatte verschlafen. Sichtlich peinlich berührt entschuldigte er sich mehrmals. Halb so wild, dachten wir. Nach einer Viertelstunde war er auch so weit und die Rückfahrt nach Delhi konnte beginnen.Wir fuhren über Kathgodam. Hier wäre die Endstation gewesen, wenn wir vor ein paar Tagen den Zug genommen hätten. Insgesamt brauchten wir 7,5 Stunden bis Delhi. Unterwegs hielten wir ein paar Mal an, Mittag machten wir kurz vor dem Ganges. Unvermeidlich sind wir auch wieder in Staus geraten. Kein Wunder bei der Fahrweise der Inder. Jede Menge Verkehrsunfälle und Reifenpannen von LKW´s haben wir gesehen. Die LKW waren fast alle total überladen. Ein bunter Mix von Fahrzeugen, wie es ihn wahrscheinlich nur in Indien gibt, tummelte sich auf den Straßen: PKW und LKW (von neu bis antik), Pferde- und Ochsengespanne, Tuk-Tuks, Motorräder, Fahrräder und natürlich noch Fußgänger.In Delhi sind wir zuerst zum Qantas-Büro gefahren und haben den Rückflug von Mumbai nach Deutschland fest für den 24.05. vorgezogen. Gegen eine Gebühr von 50 Euro pro Ticket war dies möglich. Dann wieder zurück zu Renu und ihrem Gasthaus. Schön wenn man in vertraute Umgebung zurückkehren kann. Wir bedanken uns bei unserem Fahrer und gaben ihm ein ordentliches Trinkgeld. Übers Internet buchten wir einen Flug bei Spicejet für übermorgen nach Mumbai. Spicejet war übrigens die einzige Fluggesellschaft, bei der Ausländer problemlos Tickets zum gleichen Preis kaufen können. Wir waren froh, als wir diesen Unsicherheitsfaktor bei der weiteren Reiseplanung auch abhaken konnten. Zum Abendessen könnten wir uns mal wieder selbst gemachte Pasta. Lecker, besonders in Indien, mangels Alternativen. An indisches Essen getrauten wir uns wegen der Magenprobleme noch nicht wieder ran.Lothar ging es auch wieder viel besser. Lag es an der Pasta oder an der baldigen Heimkehr nach Good Old Germany? Wir waren jedenfalls beide ziemlich happy. In der Nacht schauten wir uns noch das Champions League Finale Barcelona gegen Arsenal an, diesmal ohne Schneegestöber.139. Tag – 18.05.2006Heute blieben wir daheim. Aufgabenschwerpunkte: Lange ausschlafen; Internet-Recherche; Kontaktpflege mit der Heimat übers Internet und unser Tagebuch auf den aktuellen Stand bringen. Das Hotel in Mumbai buchten wir telefonisch, was sich als relativ schwierig herausstellte. Mit Renu quatschten wir noch viel über die vergangenen Tage. Als Abschiedsgeschenk hat Andrea ihr noch einen Apelstrudel gebacken.Noch mehr Fotos gibt´s in unserem Webalbum.
126. Tag – 05.05.2006 Die letzten Tage waren anstrengend für uns gewesen. Wir waren wegen des Durchfalls immer noch etwas angeschlagen. Also schliefen wir erstmal aus und erholten uns im Hotelzimmer, um die Hitze draußen zu vermeiden. Leider gab es schon morgens einen Stromausfall, da fiel natürlich auch die Klimaanlage sowie Zimmerbeleuchtung aus. Es wurde immer wärmer.Wir konnten auch klären, warum unser Handy in Agra nicht funktionierte. Agra liegt in einem anderen Bundesstaat als Delhi. Man muss die SIM-Karte für andere Bundesstaaten freischalten lassen und bezahlt einen anderen Tarif, vergleichbar mit Auslandsgesprächen von Deutschland aus. Nur schade, dass uns der „liebe“ Verkäufer das nicht gesagt hatte. Danach wurde Lothar mutig und ließ sich bei einem Friseur die Haare schneiden. Es wurde zwar kurz, aber bei der Hitze ganz praktisch.Nach einem Abstecher zur Touristeninformation nahmen wir ein Tuk-Tuk zum Roten Fort. Der Eingang der Festung wurde von schwer bewaffneten Soldaten bewacht. Auch Indien wurde von Terroranschlägen nicht verschont und seitdem versucht man so Flagge zu zeigen. Das Rote Fort wurde von Großmogul Shah Jahan im 17. Jahrhundert als Residenz erbaut. Nach einer wechselvollen Geschichte (u. a. Garnison der Briten) gehört die riesige, beeindruckende Festungsanlage zum UNESCO-Weltkulturerbe. Im Inneren der Festungsmauern sind verschiedene Palastbauten, z. B. das prachtvolle Badehaus, die Perlenmoschee und die private Audienzhalle erhalten. Wir schlenderten über das Gelände, das wie ein riesiger Park wirkt. Von der Geschäftigkeit Delhis war nichts zu spüren. Für viele Inder ist ein Besuch des Forts wohl auch so eine Art Ausflug ins Grüne. Wir gingen durch die gut erhaltenen Bauten und bewunderten die Architektur sowie die Kunstfertigkeit der Einlegearbeiten. Zurück im Hotel York stellten wir fest, dass die Klimaanlage immer noch nicht funktionierte. Na super. Dafür war das Essen im Hotelrestaurant ganz gut. 127. Tag – 06.05.2006 Heute zogen wir erstmal in ein anderes Hotel um, das Jakuso Inn, und ließen es sehr, sehr ruhig angehen. Uns ging es immer noch nicht so gut und die Hitze machte ihr übriges. Nachmittags besuchten wir ein Reisebüro und holten Infos für eine Tour in den Norden ein. Dort ist es um diese Jahreszeit wesentlich kühler. Zu Kolonialzeiten flüchteten die Briten jedes Jahr in den Norden und verbrachten dort den Sommer. Wir konnten sehr gut verstehen warum.Wir riefen auch bei Renu an und fragten, ob sie für die nächsten Tage ein Zimmer frei hätte. Und ja, sie hatte. Hurra, morgen würden wir wieder ins „New Delhi B&B“ umziehen. 128. Tag – 07.05.2006 Morgens besuchten wir wieder mal ein Reisebüro und erkundigten uns nach Flügen in verschiedene Gegenden von Indien. Wir hatten keine so richtige Idee, was wir in den nächsten Tagen machen wollten, wohin uns die Reise führen würde. Wir mieteten uns ein Auto mit Fahrer für den Nachmittag. Zunächst machten wir einen Abstecher zum India Gate, und sahen uns nochmal genauer im Regierungsviertel von Neu-Delhi um. Dort bewies Andrea viel Mut und ließ sich für ein Foto eine Klapperschlange um den Hals legen. Anschließend fuhren wir zum Qutb Minar, einem der berühmtesten Wahrzeichen Delhis. Der Qutb Minar ist spitz zulaufender Turm aus rotem Sandstein, verziert mit Koranversen und Ornamenten. Er wurde als Zeichen des Sieges im 12. Jahrhundert errichtet, um den Beginn der muslimischen Vorherrschaft über Delhi zu feiern. Wieder mal wollten sich viele Inder mit uns fotografieren lassen. Echt lustig, hier sind wir Exoten. Interessant war auch eine Eisensäule, die auf dem Gelände der Moschee steht. Sie wurde hier schon lange vor der Erbauung der Moschee errichtet, wahrscheinlich schon im vierten Jahrhundert nach Christus. Die Sanskrit-Inschriften deuten darauf hin, dass sie ursprünglich vor einem hinduistischen Tempel standen. An der Säule ist keinerlei Rost zu finden. Wissenschaftler rätseln bis heute, wie es mit den damaligen Techniken gelungen ist, sie herzustellen.Nach der Besichtigung brachte uns der Fahrer nach Vasant Kunj zu Renu. Dort diskutierten wir erstmal mit dem Fahrer: Wir hatten den 4h-Tarif vereinbart, er wollte aber nach 8h-Tarif bezahlt werden. Er sei mehr als 40 km gefahren, die Preise gelten für 4h oder 40 km und 8h oder 80 km. Leider hatte man vergessen, uns das vorher zu sagen. Renu backte für uns erstmal Schokoladenkuchen. Ein echter Genuss. Abends revanchierten wir uns und kochten Pasta. Die Zutaten kauften wir in dem kleinen Laden um die Ecke. Echt lecker. Es war wirklich ein bisschen wie nach Hause kommen.129. Tag – 08.05.2006 Wir schliefen lange, nutzen den Tag zum Tagebuch schreiben und recherchierten im Internet etwas. Wir fühlten uns kaputt und müde. Die Nachwehen unserer Magen-Darm-Geschichte in Agra? Die Hitze? Frust, dass es nicht ganz so lief wie geplant? Irgendwie waren wir ein bisschen desillusioniert. Morgen ist ein neuer Tag. Mal schauen was er bringt.130. Tag – 09.05.2006 Verschliefen wieder den halben Vormittag und machten uns dann auf zu den Touristenbüros der indischen Bundesstaaten Himachal Pradesh und Uttarakhand. In diesen beiden nördlich von Delhi gelegenen Staaten sind die Temperaturen doch wesentlich angenehmer. Die Besuche waren allerdings wenig hilfreich und hinterher waren wir nicht viel schlauer. Unser nächster Weg führte uns zum Büro der Qantas. Wir wollten versuchen, unseren Flug umzubuchen und eher nach Hause zu fliegen. Der Rückflug von Mumbai aus war für den 07.06. (zwei Tage vor dem WM-Eröffnungsspiel) terminiert. Die letzten Tage in Indien hatten uns echt runter gezogen und uns fehlte die Energie zum Weitermachen. An der Adresse aus dem Internet war leider kein Büro der Qantas mehr, umgezogen vor drei Monaten. Als wir an der neuen Adresse ankamen, war gerade Mittagspause. Super.Also zunächst zum Bahnhof, um uns nach Abfahrtszeiten der Züge Richtung Norden zu erkundigen. Leider ist die Internetseite der indischen Bahngesellschaft – na sagen wir mal – ausbaufähig. Wir landeten wieder auf der „falschen“ Seite und wurden vom gleichen Typen angesprochen, wie bei unserem ersten Besuch. Unglaublich!Danach ging es zurück zur Qantas. Inzwischen war die Mittagspause vorbei. Uns fiel ein Typ auf, der an jedem Schreibtisch vorbeiging und Tee an die Angestellten ausschenkte. Die bedankten sich nicht mal, sondern schienen ihn als Teil des Inventars zu sehen. Wahrscheinlich ist dieses Verhalten auf das immer noch vorherrschende Kasten-Denken in Indien zurückzuführen. Eigentlich nicht mehr vereinbar mit dem Anspruch Indiens sich zu einer modernen Gesellschaft, mit Chancengleichheit für alle, zu entwickeln. Auf unsere Nachfrage wegen der Umbuchung konnte man uns nicht direkt helfen, scheinbar war der Buchungscode auf unseren Tickets sehr speziell. Ob man unseren Flug umbuchen kann, will man in London nachfragen. Wir sollen morgen noch mal anrufen. Den Nachmittag nutzten wir für den Besuch des Akshardham Tempel, dem größten hinduistischen Tempel der Welt. Der Tempel wurde von den Anhängern einer hinduistischen Sekte in nur fünfjähriger Bauzeit im November 2005 vollendet. Beim Bau des monumentalen Bauwerks aus rosa Sandstein und weißem Marmor, wurde zwar moderne Technik, aber weder Zement noch Stahl verwendet. Bereits von Weitem ist der Tempel sichtbar. Die Sicherheitsmaßnahmen sind für indische Verhältnisse wirklich krass. Leider ist das Fotografieren innerhalb auch verboten. Beim Bau wurden traditionelle Stilelemente aus der 10.000jährigen Geschichte Indiens und des Hinduismus verwendet. Durch die neuen Techniken erschien aber alles sehr glatt, einfach zu perfekt. Es erinnerte uns an ein indisches Disneyland. Auf dem Rückweg machten wir auf dem Markt von Sarojini Nagar halt. Andrea wollte sich gern einen Sari als kaufen und Renu hatte uns diesen Markt empfohlen. Der Fahrer brachte uns erstmal zu einem Souvenirgeschäft und gab auch ganz offen zu, dass er 400 Rupien, also etwa 7 Euro, Provision kassiert, für ihn sehr viel Geld. Gegen unser besseres Wissen stimmen wir zu und machen eine Stippvisite. Dann ging es endlich zum Markt, wo Andrea eine schöne Bluse erstand. Als wir bei Renu ankamen, waren wir 15 Minuten über die vereinbarte Zeit. Der Fahrer wollte uns dafür tatsächlich auch noch zusätzlich 50 Rupien abknöpfen, obwohl wir diese Zeit bei seinem Zwischenstopp im Souvenirgeschäft verloren hatten und er dabei 400 Rupien verdient hatte! Jetzt ärgerten wir uns noch mehr, dass wir überhaupt zugestimmt hatten. Renu hatte heute einen weiteren Gast, Paul aus Kanada. Er hatte sich in Delhi an der Hüfte operieren lassen. Es gibt viele Kanadier und Amerikaner, die sich in den gut ausgestatteten privaten Kliniken in den Großstädten Indiens operieren lassen. Für sie preiswert und ohne lange Wartezeiten und für Indien ein aufstrebender Geschäftszweig. 131. Tag – 10.05.2006 Wir hatten uns nach einem längeren Gespräch mit Renu entschieden, mit dem Zug nach Raniketh zu fahren. Raniketh, eine ehemalige Hillstation der Briten, liegt in den Ausläufern des Himalajas und wurde uns von Renu wärmstens empfohlen. Sie hat schon mehrere Urlaube dort verbracht. Wir machten uns also auf dem Weg zum Bahnhof. Den Weg zum Touristen-Ticketoffice kannten wir ja inzwischen recht gut. Wir kauften Fahrkarten für den Liegewagen im Nachtzug nach Kathgodam, von dort wollten wir dann weiter nach Norden. Wir waren echt erstaunt wie billig die Karten waren. Der Beamte versicherte uns auf Nachfrage, dass die Kabinen Klimaanlage hätten und pro Abteil vier Betten. Na dann.Vom Bahnhof ging es zum Gandhi Museum. Dieses wurde an der letzten Wohnstätte Mahatma Gandhis in Delhi eingerichtet. Das Museum ist als Multimedia-Museum konzipiert und versucht, das Leben und Werk dieses indischen Nationalhelden greifbar und erlebbar zu machen. Für uns an manchen Stellen zu viel des Guten. Trotzdem war es sehr interessant. Wir lernten viel über die jüngere Geschichte Indiens, den gewaltlosen Kampf Gandhis für die Unabhängigkeit Indiens. Das Spinnrad auf der Flagge Indiens soll die Einheit Indiens symbolisieren, die Speichen stellen die 24 Bundesstaaten dar. Zum Abschluss besuchten wir die Stelle im Garten des Hauses, an der Gandhi am 30. Januar 1948 von einem radikalen Hindu erschossen wurde. Mit Fußabdrücken aus Stein wurde der letzte Weg Gandhis nachgestellt.Zurück im B&B packten wir unsere Sachen und machten uns bereits um 20h auf dem Weg zum Bahnhof, obwohl unser Zug erst 22:15 fuhr. Aber so knapp, wie bei der Fahrt nach Agra wollten wir diesmal nicht ankommen. Wir hatten Glück und waren bereits nach einer Stunde da. Wie immer war der Bahnhof brechend voll. Tausende wartender Menschen, Inder scheinen immer auf irgendwas zu warten. Wir suchen uns ein Plätzchen auf dem Bahnsteig und beobachten das Treiben um uns herum: Gepäckträger, die riesige Koffer auf dem Kopf balancieren; Mütter, die Decken auf dem Bahnsteig ausbreiten und ihre Kinder schlafen legen (die trotz des Trubels sofort einschlafen); Geschäftsleute, die hektisch rumrennen. Wir selbst quatschen mit den Männern von der Post, die auch auf den Zug nach Kathgodam warten, um Postsäcke einzuladen. Warum sie bereits eine Stunde vor Ankunft auf dem Bahnsteig abhängen, bleibt ein Rätsel. Gegenüber fährt ein völlig überfüllter Zug ein. Die Menschen stehen wie Sardinen in den Abteilen, bloß gut, dass wir eine Viererkabine im Schlafwagen haben. Der Bahnsteig füllt sich immer mehr. Schließlich rollt der Zug ein. Wir suchen unseren Wagen, was schwierig ist, da nirgendwo Wagonnummern zu sehen sind. Wir checken die Namenslisten an den Wagentüren und finden schließlich unsere Namen, steigen ein und sind schockiert: keine Klimaanlage, nur ein Ventilator; kein Liegewagen, sondern nur Sitzplätze. Schon jetzt ist der Wagen total voll. So viele Namen können gar nicht auf der Liste stehen! Wir suchen einen Bahnmitarbeiter, aber der versteht nur Bahnhof. Was tun? Auf diesen Plätzen – bei der Hitze, Enge und den vielen Menschen – uns sechs Stunden Nachtfahrt antun? Wer weiß wie viele noch zusteigen! Nein Danke, ohne uns! Delhi ist die erste Station und wir hatten gerade den völlig überfüllten Zug gegenüber gesehen. Vielleicht sind wir ja Weicheier, aber auf dieses Erfahrung wollten wir dann doch verzichten. Wir riefen Renu an und fragten, ob wir zurückkommen könnten. Gott sei Dank hat das wenigstens geklappt. Ziemlich frustriert kamen wir an – in Indien klappt einfach gar nix. Einziger Lichtblick war (unsere) Renu. 132. Tag – 11.05.2006 Erstmal lange ausschlafen. Aber wir wollten uns von dem gestrigen Rückschlag nicht unterkriegen lassen. Wir recherchierten im Internet wegen Flügen oder Bussen in den Norden. Zwischendurch machten wir einen Spaziergang und uns fielen wieder die vielen abgemagerten Kühe auf, die im Müll nach Fressbaren suchen. Renu hatte uns erzählt, dass die Besitzer die Kühe größtenteils sich selbst überlassen. Aber wenn ein Auto eine Kuh anfährt, sind sie ganz schnell da und verlangen eine Entschädigung für das wertvolle Tier. Besonders schlimm ist es, wenn eine dieser Kühe eine der vielen rumliegenden Plastiktüten frisst. Meistens verendet sie qualvoll. Wir riefen auch die Qantas an, wegen der Umbuchung unseres Fluges nach Deutschland. Wir wollten nach Hause. Aber es gab noch keine Antwort aus London.133. Tag – 12.05.2006 Morgens riefen wir wieder bei der Qantas an. Endlich, London hat sich gemeldet. Unsere Flüge können umgebucht werden. Der erste mögliche Termin ist der 24.05. Wir reservieren erstmal und müssen uns nach dem Wochenende entscheiden. Noch mindestens 12 Tage in Indien dachten wir. Da unser Flug von Mumbai startet, wollten wir auch dort noch ein paar Tage verbringen. Und den Rest? Nach einiger Überlegung wollten wir zumindest den Corbett Nationalpark besuchen. In diesem Nationalpark am Fuß des Himalajas leben noch einige der selten gewordenen Königstiger in freier Wildbahn. Nach unserer letzten Erfahrung fiel der Zug erstmal aus, Bus ging auch nicht wirklich und so wollten wir uns für den Trip in den Norden einen Fahrer mit Auto leisten. Renu rief für uns bei der Firma an, die sie immer mit Fahrten für ihre Gäste beauftragt und verhandelte für uns mit dem Chef. Da wir in den letzten Wochen schon so einige Erfahrungen mit indischen Autos und ihren Fahrern gemacht hatten, wollten wir den vorgeschlagenen Fahrer und sein Auto zumindest mal vorher sehen. Der Chef versprach, ihn nach Dienstschluss vorbei zu schicken. Renu lädt uns zu einer Fahrt in ein Einkaufszentrum außerhalb von Delhi ein. Sie wird heute von ihrer Schwester abgeholt, die über ein Auto mit Chauffeur verfügt. Da wir eh nix Besseres zu tun haben, fahren wir mit. Nach unserer Ankunft ist die erste Station ein indisches Fastfood-Restaurant, ganz lecker. Danach geht’s zum Lebensmitteleinkauf. Besonders beeindruckend fanden wir die großen Tonnen mit Hülsenfrüchten und Getreide, aus denen sich die Leute so viel abfüllen, wie sie brauchen. Ähnlich wie in Deutschland an der Obst- und Gemüsetheke. Wir kaufen die Filmmusik von „Rang de Basanti“. Der Film hat uns wirklich beeindruckt und die Musik ist sehr modern, nicht die übliche Bollywood-Schmachterei. Witzig waren auch die Fußmassage-Maschinen, die Renu und Andrea gleich mal ausprobieren mussten. Auf dem Rückweg zeigte uns Renu jede Menge gerade abgerissene Häuser. Die wurden in den letzten 50 Jahren zwar illegal gebaut, hatten aber legale Strom- und Wasseranschlüsse. Im Erdgeschoss gab es kleine Geschäft, die legal Steuern zahlten. Aber trotzt Protesten hatte die Stadtregierung den Abriss beschlossen und durchgezogen. Die Leute stehen jetzt vor dem Ruin und auf der Straße. Renu regt sich über diese Ungerechtigkeiten ziemlich auf. Am Nachmittag buchten wir ein Hotel in Corbett, das „Tiger Camp“. Ein vielversprechender Name. Gegen 21h kommt der Fahrer vorbei. Das Auto ist super und der Fahrer scheint ganz o.k. zu sein, obwohl wir an seinen Englischkenntnissen etwas zweifeln. Auf einige unserer Frage, macht er nur die typisch indische „wobbel“-Bewegung: Kein Nicken, keine Verneinung, irgendwas dazwischen. Da konnte man alles reininterpretieren. Egal, so schlimm kann es nicht werden, oder? Noch mehr Fotos gibt´s in unserem Webalbum.
121. Tag – 30.04.2006
Neues Land, neues Glück!? Was würde uns in Indien erwarten? In Thailand ist ja einiges schief gelaufen. Indien war auf Lothars speziellen Wunsch auf unserer Reiseroute gelandet. Sein Großvater hatte insgesamt 12 Jahre in Bombay gearbeitet und war dort während des Ersten Weltkrieges in englische Kriegsgefangenschaft geraten. Bei unseren Vorbereitungen waren wir auch auf den Werbeslogan des indischen Tourismusverbandes aufmerksam geworden: „Incredible India!“ – „Unglaubliches Indien!“. Das man das auch zweideutig sehen kann, merkten wir recht schnell. Eine Sache machte uns bereits jetzt – wenige Minuten nach der Ladung – Kopfzerbrechen: Die Hitze! Diesen Aspekt hatten wir wohl total falsch eingeschätzt. Was würde aus unseren Plänen die Wüstenpaläste von Rajasthan zu besuchen?
Die Fahrt zu unserer Unterkunft, dem „New Delhi Bed & Breakfast“, war kurz. Es war bereits nach Mitternacht, als uns unsere Gastgeberin Renu empfing. Sie vermietet zwei Zimmer ihrer Wohnung an Gäste. Wir bekamen das blaue Zimmer. Echt schön. Es war übrigens ein ganz besonderer Tag: Die Eintracht stand nach 18 Jahren mal wieder im Pokalendspiel. Damals, wer erinnert sich nicht: Freistoß Détári…
Lothar konnte sein Glück gar nicht fassen, als er unter einen der rund 70zig Kanäle, der Satellitenschüssel sehr dank, einen Sender erwischte, der das Endspiel live übertrug. Es sah zwar so aus, als würde die Partie bei starken Schneestübern in Sibirien stattfinden, aber das Wichtigste bekam man doch mit. Renu servierte uns zum Sportgroßereignis auch noch stilgerecht Popcorn und indisches Bier. Die Rahmenbedingungen waren perfekt, nur…wie könnte es auch anders sein: die Eintracht nicht. Endstand 1: 0 für die Bayern. Gott sei Dank, oder besser gesagt Andrea sei Dank, haben wir es nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, unsere Weltreise für eine Fahrt nach Berlin zu unterbrechen.
Gegen 9:00 Uhr sind wir aufgestanden und haben gefrühstückt. So gut, wie seit langen nicht mehr. Wir waren aber noch so gezeichnet von den Strapazen der Anreise und der Finalniederlage, das wir uns kurzer Hand nochmal für ein paar Stunden auf´s Ohr legten. Ausgeruht wollten wir am Nachmittag Delhi erkunden und mieteten für 4 Stunden ein Auto samt Fahrer. Renu organisierte das für uns und empfahl uns eine geeignete Kombination von Sehenswürdigkeiten.
Delhi vs. Neu-Delhi, was ist der Unterschied? Das haben sich wohl schon viele Touristen gefragt. Der englische König und Kaiser von Britisch-Indien, Georg V, entschied 1911 das die Hauptstadt von Kalkutta nach Delhi verlegt werden sollte. Ein Regierungsviertel bzw. eine ganze Stadt wurde neu geplant. 1931 wurde dann offiziell Neu-Delhi Hauptstadt von Indien und hat mittlerweile rund 300 000 Einwohner. Beide Städte bilden jedoch eine Einheit, mit zusammen ca. 12 Mio. Einwohnern. Man kann heute (damals schon) eigentlich nicht erkennen, wann die eine Stadt aufhört und die andere anfängt. Delhi ist nach Mumbai die zweitgrößte Stadt Indiens. Indien ist mit 1,2 Mrd. Menschen nach China das bevölkerungsreichste Land der Erde. In ein paar Jahrzehnten wird es sogar die Nr. 1 sein. Die Folgen werden drastisch sein, das kann man schon heute sagen. Eine staatliche Familienpolitik, wie in China, gibt es in Indien (noch) nicht. Von der Fläche ist Indien übrigens ca. 10mal so groß wie Deutschland.
Zunächst ging es auf unserer kleinen Sightseeing-Tour zum Lotustempel der Bahai-Religionsgemeinschaft, von den Bahai „Haus der Andacht“ genannt. Die Bahai-Religion entstand im 19. Jahrhundert und hat heute weltweit etwa 7,7 Millionen Anhänger. Die Bahai glauben an Nächstenliebe und das friedliche Zusammenleben aller Menschen. Der Tempel, der Anhängern aller Religionen für Gebet und Meditation offen steht, hat die Form einer sich öffnenden Lotusblüte, daher der Name: Lotustempel. Uns erinnerte er sehr stark an die Oper in Sydney. Vor dem Betreten des Tempels, mussten alle die Schuhe ausziehen. Der Innenraum besteht aus einer einzigen großen Halle, trotz der vielen Menschen herrschte eine ruhige, friedliche Atmosphäre. Wir besuchten auch das kleine Museum des Tempels. Es wurde die Entstehungsgeschichte der Religion, die wichtigsten Akteure, die Prinzipien des Bahai-Glaubens und die heutige Verbreitung gezeigt. Ganz interessant. So lernten wir, dass es in Hofheim am Taunus das erste europäische „Haus der Andacht“ errichtet wurde. Draußen erwartete uns dann die Hitze wieder, über 40 Grad. Da half nur viel trinken und schnell ins Auto mit Klimaanlage.
Wir fuhren zum Humayun-Mausoleum, dass in der Mitte des 16. Jahrhunderts für den zweiten Herrscher des Großmogulreiches errichtet wurde. Die Grabanlage besteht aus mehreren Bauten, die in einer großzügigen Parkanlage liegen. Es gilt als das erste Mogulgrab in Indien und in vielen seiner architektonischen Elemente als Vorbild für das berühmte Taj Mahal. Seit 1993 gehört diese schöne Anlage zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wir schauten uns die einzelnen Gebäude an – neben dem Hauptgrab gibt es auch ein Grabmal für Haji Begum, die Witwe von Humayun und Auftraggeberin für sein Mausoleum. Im Park trafen wir auf hunderte Eichhörnchen, die uns an Scrat aus dem Trickfilm „Ice Age“, den wir vor ein paar Tagen in Thailand gesehen hatten, erinnerten.
Auf dem Weg zurück nach Vasant Kunj, dem Stadtteil von Delhi in dem unsere Unterkunft liegt, vielen uns die vielen Kühe auf, die einfach so auf den Straßen rumlaufen und teilweise den Verkehr zum Erliegen bringen. Kühe sind in Indien bekanntermaßen heilig und keiner wird auf den Gedanken kommen sie zu vertreiben. Wir dachten uns, was wohl mit demjenigen geschieht, der ein Kuh bei diesen chaotischen Verkehrsaufkommen aus Versehen umfährt. Gott – welcher auch immer – steh´ ihm bei. An den Ampeln kamen immer wieder Bettler an unser Auto und klopften an die Scheibe. Wohl auch weil sie sahen, dass wir Ausländer sind. Die Armut, die man entlang der Straßen sieht, ist schon erschreckend.
Abends fuhren wir mit einer Motorradrikscha zum Priya-Komplex, einem Einkaufszentrum mit vielen Restaurants und Shops in der Nähe unserer Unterkunft. Renu hatte uns das fürs Abendessen empfohlen. Wir landeten schließlich in einem chinesischen Fastfood-Restaurants mit ganz gutem Essen. Besonders bemerkenswert war die Fleischwarenabteilung in einem Supermarkt, in dem wir noch ein paar Kleinigkeiten besorgten. Die Fleisch- und Wursterzeugnisse waren sauber und gekühlt hinter einer Theke aufgebart, wie wir es von Deutschland her kannten. Allerdings irritierte uns sehr, dass aufgrund es mangelnden Platzes die zwei Metzger mit Straßenklamotten auf der Theke saßen und von dort das Fleisch zubereiteten. Der hölzerne Hackklotz an dem das Blut vergangenen Tage (und Monate) noch zu sehen war, durften natürlich nicht fehlen. Incredible India!.
Als wir zurückkamen, war gegenüber in einem riesigen Zelt gerade eine Hochzeit zu Gange. Lothar war neugierig und wollte direkt mal ins Zelt rein, Andrea war das zu peinlich. Wir wurden schließlich von ein paar Servicekräften entdeckt und eingeladen, mal am Rande zuzuschauen. Etwa 200 Gäste (nichts Außergewöhnliches für indische Verhältnisse) schienen recht viel Spaß zu haben. Wir sahen noch den Einzug des Hochzeitspaares und gingen dann. Renu erklärte uns, dass aufgrund der günstigen Sternenkonstellation heute viele Hochzeiten in Delhi stattfinden würden.
122. Tag – 01.05.2006
Für heute mieteten wir uns wieder ein Auto mit Fahrer, direkt für acht Stunden, da wir uns Einiges vorgenommen hatten. Vor allem wollten wir heute unsere Fahrt zum Taj Mahal nach Agra organisieren. Wir wussten noch nicht wie es danach mit unserer Indien-Reise weitergehen sollte. Ursprünglich wollten wir ja weiter nach Rajasthan. Aber ob das bei den gerade herrschenden Temperaturen eine so gute Idee war? Daher wollten wie in Agra erstmal schauen, wie wir mit dem Klima zurechtkommen und dann weitersehen. Übrigens hat es nichts mit Dekadenz zu tun, wenn man sich als Ausländer ein Auto mit Fahrer mietet, sondern mit schierem Überlebenswillen. Selber mit dem Auto zu fahren ist glatter Selbstmord und der Nahverkehr von Vasant Kunj aus ist quasi nicht existent.
Auf dem Weg zum Bahnhof von Neu-Delhi hielten wir zunächst im Regierungsviertel an und schauten uns die Parlamentsgebäude und das nahe gelegene India Gate an Dies erinnerte uns an den Triumphbogen in Paris. Das India-Gate wurde als Mahnmal für die gefallenen indischen Soldaten aus dem 1. Weltkrieg errichtet. Die Straßen im Regierungsviertel sind großzügig angelegt. Man merkt, dass die Stadt auf dem Reißbrett entstanden ist.
Dann ging es weiter zum Bahnhof. Unser erster Eindruck: sehr klein für einen Hauptstadtbahnhof, alles leicht chaotisch wegen der vielen Menschen und Baustellen. Wir wollten zum „International Tourist Bureau“, lt. Lonely Planet ist es dort für Ausländer am einfachsten Fahrkarten zu kaufen. Nachdem wir die Menschenschlangen im Schalterraum gesehen hatten, glaubten wir das auch unbesehen. Das Büro sollte im ersten Stock sein. Irrtümlich landeten wir aber auf den Übergängen zu den Bahnsteigen, wo uns ein „netter“ Mann ansprach und uns sagte, dass das Ticketoffice wegen Bauarbeiten umgezogen sei und man die Fahrkarten jetzt im „Delhi Tourism Office“ am Connaught Place bekäme, es gäbe einen Shuttleservice. Wir hatten zwar Zweifel, aber die Bauarbeiten sahen wirklich recht umfangreich aus und da wir das Ticketoffice nirgendwo sahen, wollten wir zumindest zur staatlichen Touristeninformation („Gouverment of India Tourism Office Delhi“), die ebenfalls am Connaught Place liegt.
Der nette Herr verfolgte uns bis zu unserem Auto und rief dem Fahrer noch was zu. Unser Fahrer brachte uns natürlich trotz eindeutiger Ansage (nämlich zur offiziellen Touristeninformation zu fahren) zum „Delhi Tourism Office“ – einer stinknormale Reiseagentur. Dort sagte man uns, die Züge seien ausgebucht und wir sollten doch mit dem Bus fahren und überhaupt, was unsere Pläne wären. Man könnte uns günstige Tourpakete anbieten. Ganz toll – nur schnell raus da. Am frechsten war die Lüge, hier sei die staatliche Touristeninformation! Uns konnte man nicht so leicht hinter´s Licht führen. Wir hatten unsere Lektion in Thailand gelernt, Wir fanden schließlich die staatliche Touristeninfo, wo man uns sagte, dass das es keinerlei Umzug gegeben hätte. Sie kannten das Spielchen schon. Wir waren wohl auf der falschen Seite des Bahnhofs gelandet. Diesmal ließen wir uns zum Haupteingang des Neu-Delhi Bahnhofs bringen und tatsächlich: riesengroße Schilder, die auf das Touristenbuchungs-Office hinwiesen. Wir kauften zwei Tickets nach Agra für den nächsten Morgen und ärgerten uns, über die verlorene Zeit.
Nachdem wir endlich unsere Fahrkarten hatten, fuhren wir zur Jama Masjid-Moschee in Old Delhi, die größte Moschee Indiens. Bereits von weitem ist das beeindruckende rot-weiße Gebäude sichtbar. Man geht eine große Treppe hinauf zum Eingangstor, von dem man einen tollen Blick auf das Rote Fort und die engen Gassen von Old Delhi hat. Drinnen mussten wir die Schuhe ausziehen. Auf dem riesigen Innenhof finden bis zu 25.000 Gläubige Platz. Da die Steinplatten des Hofes unerträglich heiß waren, sind zum Laufen Teppiche ausgelegt. Wir konnten das Minarett besteigen. Oben gab es keine richtige Plattform und wir teilten uns den knappen Platz mit einem Dutzend Indern. Aber die tolle Aussicht entschädigte vollkommenDie Hitze machte uns weiter zu schaffen, aber wir wollten noch ein bisschen was von Delhi sehen. Leider ist das Rote Fort montags geschlossen und so besuchten wir stattdessen „Purana Qila“, auch „Old Fort“ genannt. Das in der Mitte des 16. Jahrhunderts erbaute Fort ist heute größtenteils eine Ruine. Erhalten sind die Moschee Qila-i-Kuhna und Sher Mandal, ein achteckiger Turm aus rotem Sandstein, in dem sich die Bibliothek des Humayun befunden haben soll. Dessen Grab hatten wir ja erst gestern besucht und hier war es zu dem tragischen Unfall gekommen, der zu seinem Tod führte: Er rutschte beim Treppesteigen aus, stürzte und zog sich dabei schwere Verletzungen zu, von denen er sich nicht mehr erholte.
Zum Abschluss unserer Tour besuchten wir Safdarjung’s Grabmal, das unser Fahrer nach einigen Schwierigkeiten auch fand. Nach der Aktion heute morgen hatten wir ein bisschen die Nase voll von ihm. Das Grabmal wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet und ist eines der letzten Zeugnisse der typischen Architektur des Mogulreiches, das in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Absetzung des letzten Moguls durch die Briten sein Ende fand.
Wieder zurück in Vasant Kunj besorgten wir uns eine indische SIM-Karte, damit wir in Indien günstig mobil telefonieren können. Ging auch relativ problemlos und der Händler meinte, ab morgen müsste es funktionieren.
Abends bestellten wir mit Renu´s Hilfe indisches Essen bei einem Lieferservice und schauten zusammen ein Video an. Der moderne Bollywood-Film „Rang de Basanti“ war sehr interessant und sehr lang. Sehr kritisch zeigt der Film die Konflikte zwischen hinduistischen Nationalisten und Moslems im heutigen Indien und die Korruptheit indischer Behörden. Renu erzählte uns, dass der Film auf wahren Begebenheiten beruht. Wir packten dann noch schnell unsere Sachen und gingen „kurz“ schlafen. Morgen sollte es nach Agra gehen.
123. Tag – 02.05.2006
Nach etwa 3,5 Stunden schlaf klingelte der Wecker. Mit dem Taxi ging es zum Bahnhof. Das Auto schlich durch das morgendliche Delhi und machte komische Geräusche. Wir waren etwas besorgt – zur Recht: ca. 500 Meter vor dem Bahnhof gab das Auto den Geist endgültig auf. Na das fing ja gut an. Der Fahrer war etwas sauer, dass wir nicht den vollen vereinbarten Fahrpreis bezahlten, aber schließlich waren wir ja auch nicht am vereinbarten Ziel angekommen! Mit der Fahrradrikscha ging es dann zum Bahnhof, wir waren recht spät dran und mussten uns noch durch die Menschmassen einen Weg bahnen. Doch wir hatten Glück, erreichten den Zug pünktlich und fanden sogar problemlos unsere Plätze.
Unser Zug, der Shabati Express, ist für indische Verhältnisse ein echter Luxuszug. Er braucht für die Strecke nach Agra nur zwei Stunden. Diesen Luxus sollte man sich gönnen, denn der normale Zug hält circa alle 10 Minuten und braucht nach Agra eine Ewigkeit. Im Preis enthalten ist sogar ein Frühstück, das kurz nach Abfahrt serviert wird. Allerdings verging uns der Appetit gründlich, als wir aus dem Fenster schauten. Wir hatten gerade die Vororte von Delhi erreicht und konnten hunderte Inder bei der Verrichtung ihres morgendlichen Stuhlgangs beobachten. Unser Tipp an alle Touristen: Im Morgenzug bloß nicht aus dem Fenster schauen.
Agra, unser heutiges Ziel, liegt etwa 200 km von Delhi entfernt am Ufer des Flusses Yamuna. Die Stadt hat etwa 1,3 Mio. Einwohner und ist weltbekannt durch das Taj Mahal, Indiens berühmtestes Bauwerk. Es gibt viele Touristen, die von Delhi nur einen Tagesausflug machen, aber es gibt in Agra noch mehr zu entdecken und so wollten wir mindestens zwei Tage bleiben.
Mit dem Tuk-Tuk ging zum Hotel. Das Zimmer war für den Preis ganz in Ordnung. Leider ging es Lothar sehr schlecht, Erbrechen und Durchfall, eine üble Kombination. Da half nur ausruhen und viel (Cola) trinken. Unsere Entdeckungstour musste daher erstmal warten.
124. Tag – 03.05.2006
Wir schliefen erstmal lange aus. Inzwischen hatte auch Andrea der Durchfall erwischt. Gut das wir ein Hotelzimmer mit adäquater Sanitäreinrichtung genommen hatten!
Am Nachmittag unternahmen wir aber trotzdem eine kleine Sightseeingtour. Mit Mietwagen und Fahrer ging es zunächst zum Itmad-ud-Daulah, dem sogenannten „Baby Taj“. Dieses Mausoleum wurde für Mizra Ghiyas Beg errichtet, Wesir und Schwiegervater des Moguls Jehangir, von seiner Tochter errichtet. Das Mausoleum wurde aus Marmor und rotem Sandstein errichtet, wunderschöne Einlegearbeiten von Halbedelsteinen verzieren Wände und Böden. Es steht zwar im Schatten des Taj Mahal, ist aber durchaus einen Besuch wert.
Die nächste Station sollte das Rote Fort von Agra sein. Unser Fahrer/Führer machte einen kleinen Umweg auf die andere Seite des Yamuna-Flusses. Wir machten eine kleine Wanderung durch abgeerntete Melonenfelder und hatten dann einen tollen Blick auf das Taj Mahal auf der anderen Seite des Flusses, der im Moment ziemlich ausgetrocknet war. In der Entfernung konnten wir ein paar eine Fläche sehen, in der jede Menge Sachen zum Trocknen ausgebreitet waren. Der Fahrer erklärte uns, dass es früher noch viel mehr Wäschereien am Fluss gab. Doch um das Taj Mahal vor schädlichen Umwelteinflüssen zu schützen, wurden sehr viele Betriebe geschlossen.
Das Fort von Agra ist noch recht gut erhalten. Es wurde im 16. Jahrhundert von Mogul Akbar errichtet, hauptsächlich als militärische Einrichtung, und von seinem Enkel Shah Jahan als Palast ausgebaut. Wieder beeindruckten uns die filigranen Einlegearbeiten und die kunstvolle Architektur.
Unsere letzten Kräfte mobilisierten wir jetzt für den Besuch des weltbekannten Taj Mahals, seit 1983 UNESCO-Weltkulturerbe und 2007 zu einem der neuen sieben Weltwunder gewählt. Am Eingang standen viele Einheimische, die sich als Führer anboten. Warum nicht? Unser Führer erzählte uns viele spannende Sachen und wies auch auf die besten „Kodak“-Spots hin. Über dem Eingangstor aus rotem Sandstein thronen 22 Kuppeln, für jedes Jahr der Bauzeit eine. Das Taj Mahal wurde von Großmogul Shah Jahan als Gedenkstätte für seine zweite Frau Mumtaz Mahal errichtet, die bei der Geburt ihres 14. Kindes starb. Die Legende sagt, dass der Tod seiner Frau ihm das Herz brach und um seine Liebe zu beweisen, lies er dieses monumentale Grabmal aus weißem Mamor errichten. Bereits von weitem strahlt das Taj Mahal in der gleißenden Sonne. Es steht auf einer Plattform, eingerahmt von vier weißen, schlanken Minaretten. Diese sind übrigens etwas nach außen geneigt, damit sie im Falle eines Erdbebens nicht auf das Taj fallen. Wir schlenderten des Wasserbeckens auf das Taj Mahal zu. Erst aus der Nähe erkennt man die kunstvoll aus Stein gehauenen Blumenornamente und Einlegearbeiten aus Halbedelsteinen. Die vier identischen Seiten des Taj Mahal sind mit Versen aus dem Koran verziert. Das Taj ist komplett symmetrisch erbaut und im Zentrum befindet sich das Grabmal von Mumtaz Mahal. Gestört wird die Symmetrie nur vom Grabmal für Shah Jahan selbst. Sein Sohn Aurangzeb setzte ihn gewaltsam ab, warf ihn jahrelang ins Gefängnis und ließ ihn dann im Taj begraben – gönnte ihm also kein eigenes Mausoleum.
Leider ging es Andrea dann so schlecht, dass wir zurück ins Hotel mussten. Der Fahrer versuchte uns noch für Morgen zu einem Ausflug nach Fatehpur Sikri zu überreden und bot uns Spezial-Sonder-Konditionen an. Aber wir wollten erstmal abwarten, wie es uns gesundheitlich geht. Wir waren froh, wieder im Hotel zu sein. Allerdings war es in unsere Situation etwas ärgerlich, dass die Klopapier-Rollen erstens sehr klein und zweitens abgezählt waren. Schon merkwürdig, wenn man wegen Klopapier quasi betteln muss. Incredible India!
125. Tag – 04.05.2006
Wir schliefen wieder lange, die halbe Nacht hatten wir beide auf dem Klo verbracht. Die Hitze war ja schon schlimm genug, aber das war jetzt doch etwas viel. Eine Reise durch die Wüstenstaat Rajasthan machte in dieser Situation nicht viel Sinn. Also gaben wir unsere Pläne schweren Herzens auf und beschlossen, erstmal nach Delhi zurückzufahren. Zu einem Ausflug in die ehemalige Hauptstadt des Mogulreiches Fatehpur Sikri, etwa 40 km von Agra entfernt, konnten wir uns auch nicht aufraffen.
Nachdem also jetzt unsere Entscheidung zur Rückkehr nach Delhi gefallen war, fuhren wir zum Bahnhof, um uns Tickets zu besorgen. Im Gegensatz zu Delhi gibt es in Agra keine spezielle Anlaufstelle für Touristen. Daher wurde der Ticketkauf zu einem Erlebnis der besonderen Art. Zunächst mussten wir mal auf das Ende der Mittagspause warten. Dann stellten wir uns an einem Schalter an, den ein freundlicher Inder uns gezeigt hatte, um die Formulare zur Beantragung des Tickets zu bekommen. In Indien musst man bei Ticketkauf für Fernreisen Name, Alter und Geschlecht angeben. Der Schalter vor uns hatte ein kleines Sprechloch und es ist schon erstaunlich, wie viele Arme da durch passten, um nach einem Formular zu greifen. Wir fragten uns, warum man die Formulare nicht einfach, in der Halle auslegt und warum es einen Beamten geben muss, der diese gewissenhaft austeilt. Wahrscheinlich würden die sonst zu Klopapier verarbeitet. Jedenfalls bekamen wir unser Formular, füllten es gewissenhaft aus und stellten uns dann am nächsten Schalter an, um das Formular abzugeben und unsere Tickets zu kaufen. Wir mussten ewig warten und Lothar fuhr die Ellenbogen aus, damit sich niemand vordrängelte. Inder kennen kein ordentliches hintereinander in der Schlage stehen. Sie tendieren dazu, im Pulk um ihr Ziel herum zu stehen und auf ihre Zielperson einzuquatschen. Hier hat der Einfluss der englischen Kolonialmacht nicht gewirkt. Nach etwa 1h Gedrängel sind wir endlich an der Reihe, aber der Schalterbeamte erledigt erstmal telefonische Aufträge, während sich hinter ihm im Büro drei Leute langweilen. Aber schließlich hielten wir unsere Fahrkarten für heute Abend in den Händen.
Nun mussten wir noch eine Übernachtung in Delhi organisieren. Also machten wir uns auf zur örtlichen Touristeninformation. Man empfing uns sehr freundlich, schien aber etwas überrascht, dass sich tatsächlich Touristen mit einem Anliegen hierher verirrt hatten. Auf jeden Fall versuchte der nette Herr, die Touristeninformation in Delhi telefonisch zu erreichen, was aber nicht klappte. Also unterhielten wir uns über Gott und die Welt, er versuchte es noch mal, wieder ohne Erfolg. Er versprach, dran zu bleiben und uns anzurufen.
Nach einem dringend nötigen Mittagsschlaf versuchten wir, den Typen aus dem Touristenbüro anzurufen. Doch es nahm keiner ab. Also fuhren wir noch mal kurz hin, er hatte natürlich bisher nichts erreicht. Aber schließlich fand er doch noch ein Zimmer für uns, ziemlich zentral am Connaught Place. Mal sehen was uns dort erwartete. Wir bedankten uns höflich und fuhren weiter zum Bahnhof. Dort erwartete uns dann zunächst ein kleiner Schock. Wir versuchten, unseren Namen auf der Platzliste zu finden und fanden heraus, dass man uns heute Morgen nur auf die Warteliste gesetzt hatte! Aber wir hatten Glück, bekamen noch Plätze und saßen bald im Zug nach Delhi, wieder ein Schnellzug. Gegen 23 Uhr kamen wir in Delhi an, nahmen ein Taxi zum Hotel und fielen völlig kaputt in unsere Betten.
Noch mehr Fotos gibt´s in unserem Webalbum.