27. Oktober 2008

Mumbai - Die letzten Tage in Indien

140. Tag – 19.05.2006

Nach einem guten Frühstück verabschiedeten wir uns von Renu. Das New Delhi Bed & Breakfast war für uns ein zweites Zuhause geworden. Gegen 10:00 Uhr machten wir uns mit einem Taxi auf den Weg zum Flughafen. Heute Morgen hatte es geregnet, an vielen Stellen stand das Wasser 10-20 cm in den Straßen, weil die Kanalisation überlastet war.

Beim Einchecken lernten wir dann wieder die indische Form des Wartens kennen. Andrea steht bereits am Schalter von Spicejet und legt unsere Pässe vor. Lothar will das Gepäck aufs Band stellen, als er rechts von einer indischen Familie überholt wird, die zielstrebig ihre Koffer platziert. Incredible India, aber nicht mit uns!

Unser heutiges Ziel war Mumbai, besser bekannt als Bombay. Besonders Lothar war sehr gespannt, schließlich hatte sein Großvater hier 12 Jahre gelebt und gearbeitet. Mumbai ist die wichtigste Hafenstadt Indiens und mit fast 14 Mio. Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt der Welt. Das Stadtzentrum liegt auf einer langgestreckten Halbinsel im Süden der Insel Salsette. Diese Halbinsel entstand hauptsächlich im 18. und 19. Jahrhundert, indem sieben einzelne Inseln durch Landgewinnung miteinander verbunden wurden. Mumbai blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Das Gebiet wurde bereits um 1.500 vor Christus besiedelt und gehörte bis zur Ankunft der Europäer verschiedenen buddhistischen, hinduistischen und muslimischen Reichen an. Den Namen erhielt die Stadt vom portugiesischen Seefahrer Francisco de Almeida, der 1508 im natürlichen Hafen der damaligen Insel Bombay landete. Aufgrund der guten Bedingungen, die er vorfand nannte er die sie „Bom Bahia“ also „Gute Bucht“. Nach etwa 150 Jahren portugiesischer Kolonialzeit fiel das Gebiet an die Briten, die aus dem portugiesischen Namen „Bombay“ machten.

1995 beschloss die Regierung des Bundestaates Maharashtra die Stadt offiziell Mumbai zu nennen. So wird die Stadt von der einheimischen Bevölkerung nach der Hindu-Göttin Mumbadevi genannt. Mumbai hat heute aufgrund der Überbevölkerung mit zahlreichen Umweltproblemen zu kämpfen: unzureichende Entsorgungskapazitäten, verseuchtes Wasser, Luftverschmutzung, Mangel an Trinkwasser und Überschwemmungen während der Monsunzeit. Über die Hälfte der Einwohner lebt in Slums. Trotz der zahlreichen Probleme gilt Mumbai als das wirtschaftliche Zentrum Indiens und als die bedeutendste und reichste Stadt des Subkontinents.

Vom Flughafen aus fuhren wir mit einem der zahlreichen gelb-schwarzen Taxis nach Colaba, einem Stadtteil im Süden Mumbai’s, zum „Bentley’s Hotel“. Der Verkehr kam uns nicht ganz so chaotisch wie in Delhi vor. Das lag sicher daran, dass hier nicht so viele Tuk-Tuks rumkurvten, die im Zentrum von Mumbai ganz verboten. Das Hotel war so lala, nicht besonders sauber. Wir machten einen ausgedehnten Abendspaziergang und suchten gleich nach einer neuen Unterkunft. Dabei kamen wir auch am Taj Mahal Palace Hotel" vorbei. Es wurde 1903 vom Industriellen Jamshedji Tata errichtet, einem indischen Parsi. Angeblich wurde ihm der Zutritt zu den europäischen Hotels verwehrt, da er ein Einheimischer war. Als Antwort darauf ließ er das beste und exklusivste Hotel von ganz Indien bauen. Wir guckten mal kurz rein, alles sehr exquisit und beeindruckend, jedoch nicht in unserer Preisklasse. Wir entschieden uns stattdessen für das Apollo Hotel, das zwar nicht vergleichbar, aber immerhin noch doppelt so teuer wie das Bentley’s war. Für die letzten Tage wollten wir uns mal was Besonderes gönnen.


141. Tag – 20.05.2006

Morgens frühstückten wir noch im Bentley’s Hotel, wie erwartet nicht so toll, und zogen dann ins Apollo Hotel um. Danach machten wir uns auf zum Gateway of India, Mumbai’s berühmtesten Wahrzeichen. Es wurde 1924 eröffnet und wurde ursprünglich zur Erinnerung an den Besuch König Georg V. errichtet. Heute gilt es als Indiens „Triumphbogen“, denn hier verließen am 28. Februar 1948 die letzten britischen Truppen das Land. Von hier legen auch die Touristenboote zur Insel Elephanta ab, die wir heute besuchen wollten. Die Insel ist berühmt für die aus Stein gehauenen Höhlen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören.

Die Fahrt zur Insel dauerte etwa eine Stunde. Wir hatten das Gefühl unser Tuk-Tuk-Boot würde gar nicht voran kommen. Wir hatten vom Boot auf einen tollen Blick auf die langgezogene Bucht von Colaba. Vom Pier läuft man dann etwa einen Kilometer zu einer Treppe, die zum Eingang führt. Die Treppe war gesäumt von kleinen Ständen mit Souvenirs, Essen und Getränken. Andrea machte die Bekanntschaft eines ziemlich aggressiven Affen, der ihr die Chipstüte aus der Hand klauen wollte. Schon etwas beängstigend.
Die berühmten Höhlentempel, die dem Gott Shiva gewidmet sind, wurden wahrscheinlich im 6. Jahrhundert aus dem Felsgestein geschlagen. Es gibt insgesamt sechs Höhlen, die aber teilweise unvollendet oder nicht zugänglich sind. Wir machten eine sehr interessante Führung über das Gelände. Die Reliefs und Figuren in den Höhlen sind teilweise stark beschädigt, da sie von den portugiesischen Kolonialherren für Schießübungen missbraucht wurden. In der Haupthöhle ist eine Statue von Shiva mit drei Gesichtern zu sehen, die uns an die Tempel in Angkor erinnerte.

Anschließend machten wir einen kleinen Rundgang über die Insel. Wir stiegen auf einen Hügel, wo zwei riesige Kanonen der Briten aus dem 2. Weltkrieg stehen und von dem man einen guten Ausblick auf Mumbai hat. Auf dem ganzen Gelände gab es ziemlich viele Affen, die um Futter bei den Touristen bettelten. Auf Rückfahrt nach Mumbai fiel uns wieder mal das Umweltverhalten der Inder auf: eine leer getrunkene Plastikflasche wurde einfach ins Meer geworfen. Für uns schon irgendwie schockierend. Bei unserer Ankunft am „Gateway of India“ war dort sehr viel los. Viele Einheimische nutzen die Gegend für nachmittägliche und abendliche Spaziergänge.

Abends noch eine Supernachricht: wir haben Tickets für das Viertelfinale der Fußball-WM bekommen! Haben sich die Bewerbungsprozeduren im Internet doch gelohnt!


142. Tag – 21.05.2006
Heute bekamen wir das Frühstück sogar aufs Zimmer gebracht. Gegen 11:00 Uhr brachen wir zur Stadtbesichtigung auf. Mit dem Taxi ging es zum Chhatrapati Shivaji Terminus (früher Victoria Terminus genannt), einem der weltweit größten Bahnhöfe. Das im 19. Jahrhundert erbaute Gebäude zählt zum Weltkulturerbe und ist wirklich beeindruckend. Die Architektur ist einzigartig, da sie britische neogotische und indische Stilelemente verbindet. Trotz der Geschäftigkeit ging es geordneter als in Delhi zu. Leider fing unsere Kamera an sporadisch zu streiken. Wir machten einen kleinen Rundgang durch den Bahnhof und das umliegende Gelände. Besonders interessant fanden wir ein riesiges Cricketfeld, auf dem scheinbar mehrere Übungsspiele gleichzeitig liefen. Am Rand sahen wir auch das andere Gesicht von Indien: zahlreiche Hütten und Zelte von Obdachlosen. Die Gegensätze in Indien sind manchmal schon erschreckend.

Weiter ging es zum Crawford Market. Vor dem Eingang probierten wir frisch gepressten Zuckerrohrsaft, ganz erfrischend. Auf dem Basar gab es eigentlich alles zu kaufen: Kleidung, Obst, Gemüse, lebende Tiere. Die Fleischabteilung entsetzte uns allerdings wegen der katastrophalen hygienischen Verhältnisse. Wir konnten es hier nicht aushalten, einfach nur schnell raus. Gar nicht drüber nachdenken, ob auch die Restaurants, in denen wir essen, hier einkaufen.

Dann nahmen wir ein Taxi zur Chowpatty Beach, einem beliebten Strand Mumbai’s. Das Wasser war sehr schmutzig, angeschwemmte Plastiktüten und –flaschen neben anderem unidentifizierbaren Strandgut. Aber einige Inder badeten trotzdem. Bei unserem Spaziergang entlang der Strandpromenade kamen wir auch an einem Schwimmbad nur für Hindus vorbei. Das erinnerte uns daran, dass die verschiedenen Volksgruppen Mumbai’s wie Hindu, Muslime, Buddhisten, Christen und Sikhs nicht immer ganz friedlich zusammen leben. So gab es in den letzten Jahren einige Bombenanschläge, die muslimischen Terrororganisationen zugeschrieben werden und die rechtsradikale Hindu-Partei „Shiv Sena“ hat viele Anhänger.

Am Nachmittag machten wir noch einen Spaziergang durch Colaba. Plötzlich sieht Lothar das Motiv für das Foto des Jahrhunderts: in einem alten Auto sitzen zwei Erwachsene und zehn (!) Kinder. Schnell den Fotoapparat gezückt, die Insassen lächeln sogar und warten auf den Auslöser. Und was passiert? Dieser sch… Fotoapparat funktioniert nicht, hat mal wieder den Geist aufgeben. Lothar hadert mit dem Schicksal und für den Rest des Tages schlecht gelaunt. Für die letzten Tage holten wir uns eine Einweg-Kamera.


143. Tag – 22.05.2006

Für heute hatten wir einen Stadtrundgang durch das Maidan- und das Fort-Viertel geplant. Kaum aus dem Hotel raus, wurden wir von einer jungen Inderin angesprochen, ob wir bei einem Bollywood-Film mitmachen wollen. Leider scheitert unsere Filmkarriere am Abflugtermin. Die Aufnahmen sollen morgen Abend beginnen, da geht aber schon unser Flieger in Richtung Heimat.

Die Route für unsere Tour hatten wir aus dem Lonely Planet. Zunächst ging es zum Regal Circle, einem Kreisverkehr nahe unserem Hotel. Von dort hatten wir einen guten Blick auf das Regal Cinema, ein Artdeco-Gebäude, und das historische Majestic Hotel. Weiter ging es entlang der Mahatma-Ghandi-Straße vorbei am Elphinstone College und der David Sassoon Library, zwei weiteren besonders schönen historischen Gebäuden.

Am Straßenrand gab es zahlreiche Stände mit Büchern, super billig. Andrea kaufte sich „Holy cow“, ein Buch, das uns Renu empfohlen hatte. Es handelt von einer jungen Australierin, die ihre Erlebnisse in Indien beschreibt. Die Route führte weiter zur Knesseth Eliyahod Synagoge bis zum Flora-Springbrunnen. Dieser wurde 1869 zu Ehren des britischen Gouverneurs von Bombay Sir Bartle Frere errichtet, der als Wegbereiter des modernen Mumbai gilt. Weiter gings vorbei an der St. Thomas-Kathedrale, dem ältesten englischen Gebäude Mumbai’s und dem Bombay High Court, dem Gerichtshof. Leider waren im Moment Sommerferien, so dass wir bei keiner Verhandlung zuschauen konnten. Letzte Station war die University Library und Convocation Hall. Beide Gebäude wurden im Stil der französischen und italienischen Gotik des 14. Jahrhunderts errichtet und zeugen noch heute von den glanzvollen Zeiten der britischen Kolonialherrschaft. Zurück ins Hotel fuhren wir mit dem Taxi, vom Laufen hatten wir erstmal genug.


144. Tag – 23.05.2006

Unseren letzten Tag in Indien begannen wir früh, wir wollten den Fischmarkt von Colaba besuchen. Entlang des Kais schlenderten wir in Richtung des Sassoon Docks, wo der Markt sein sollte. Entweder waren wir schon zu spät oder in die falsche Richtung gelaufen, jedenfalls fanden wir keinen Fischmarkt. Dafür konnten wir auf dem Weg einen Einblick in die „Wohnverhältnisse“ des Viertels gewinnen: Auf der Straße sahen wir zahlreiche Schlafgestelle oder auch nur Schlafplätze aus Decken, die langsam in die Hausflure geräumt wurden. Die Leute putzten sich auf der Straße die Zähne oder wuschen ihre Wäsche. Für uns war es überraschend, dass nur ein paar hundert Meter vom normalen Touristenpfad entfernt, die Armut so deutlich sichtbar war.

Nach dem Frühstück packten wir unsere Sachen. Die konnten wir bis heute Abend im Hotel stehen lassen. Die letzten Stunden verbrachten wir damit, ein paar Souvenirs zu kaufen. Lothar hatte besonders viel Spaß daran, mit den Straßenhändlern zu feilschen. Aber es hat sich gelohnt, denn wir erstanden einige schöne Erinnerungsstücke. Im Hotel konnten wir dann sogar noch mal duschen, obwohl wir schon ausgecheckt hatten. Echt super Service.

Bis zum Abflug war noch reichlich Zeit, die wir für einen Kino-Besuch nutzen. Leider lief gerade kein Bollywood-Film und so sahen wir uns die Hollywood-Produktion „Poseidon“ an. Wieder gab es am Anfang die Nationalhymne, wie in Thailand. Scheint in Asien üblich zu sein, um den Nationalstolz zu stärken. Der Film war zwar in Englisch, hätte aber auch in Hindi sein können. Die schlichten Dialoge und Handlung machten es einfach, dem Geschehen zu folgen.

So gegen 22 Uhr machten wir uns auf dem Weg zum Flughafen. Zum Abschied erlebten wir noch mal das übliche indische Verkehrschaos. Auf dem Flughafen hatten wir dann leichte Orientierungsschwierigkeiten. Vor dem Einchecken und Ausstellen der Tickets muss man sein gesamtes Gepäck von Sicherheitsleuten durchleuchten lassen. Jede Fluggesellschaft hat dafür ihren eigenen Stand, leider ist nicht immer ersichtlich wo. Hat schließlich doch alles geklappt, wir hatten unsere Tickets in den Händen und warteten auf den Flieger in Richtung Heimat.

Incredible India! Wir hatten schon vermutet, dass man das auch doppeldeutig sehen kann. Indien ist auf jeden Fall eine Reise wert. Leider hatten wir die Klimaverhältnisse total falsch eingeschätzt. Zusammen mit dem normalen indischen Chaos und den „indischen Touristenkrankheiten“ war das einfach zuviel für uns. Wir hatten Glück im Unglück, dass wir einen Zufluchtsort bei Renu gefunden hatten. Irgendwann wollen wir Indien noch mal besuchen.


145. Tag – 24.05.2006

Unser Flug startete pünktlich um 2:15 Uhr, war lang und ereignislos. In London Heathrow mussten wir umsteigen und mit dem Bus zu einem anderen Terminal. Es ging so chaotisch zu, dass wir uns vorkamen, als hätten wir Indien nie verlassen. Der Bus vor uns fuhr halb leer los, obwohl noch jede Menge Leute warteten. Der Fahrer des nächsten Busses war – es war kaum zu glauben – ein eingewanderter Inder, am Turban als Sikh zu erkennen. Er wartete bis der Bus so voll gestopft war, dass man kaum Luft holen konnte. Die Geschwindigkeitsbegrenzung und Fahrwege am Flughafen hielt er zumindest ein.

Kurz nach 12 Uhr standen wir wieder auf deutschem Boden, genauer gesagt in Düsseldorf. Wir waren fasziniert von der Sauberkeit am Flughafen. Hier wurde sogar der Müll getrennt. Manche Sachen weiß man halt erst zu schätzen, wenn man längere Zeit im Ausland gewesen ist.

145 Tage waren wir jetzt unterwegs gewesen. Insgesamt waren wir mehr als zufrieden mit dem was wir alles gesehen und erlebt hatten. Doch wir waren auch ziemlich erschöpft und Indien hat uns sozusagen den Rest gegeben. Die WM-Pause kommt jetzt genau richtig. Mitte Juli, nach dem WM-Endspiel, sollte es weitergehen. Wann genau und wohin wussten wir noch nicht.

Noch mehr Fotos gibt´s in unserem Webalbum.

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