26. Oktober 2008

Corbett-Nationalpark - Auf der Suche nach dem Tiger

134. Tag – 13.05.2006

Heute sollte es trotz aller Widrigkeiten in den Norden gehen. Zwar etwas teuerer als die Zugfahrt, dafür aber bequemer und schneller, dachten wir zumindest. Wir freuten uns schon darauf, endlich ein paar Tage unterhalb der 40 Grad-Marke zu verbringen. Um 8 Uhr hieß es Abschied nehmen von Renu und Paul, sowie dem etwas übergewichtigen, aber liebenswerten Hund Doogie. Die Stationen unserer Fahrt zum 200 km entfernten Corbett-Nationalpark hatte uns Renu sicherheitshalber noch aufgeschrieben, so konnten wir immer überprüfen, ob der Fahrer auf dem richtigen Weg war.

Kurz nachdem wir Delhi verlassen hatten, kamen wir zu einer indische Autobahn. Gegen eine Gebühr konnten wir weiterfahren. Anscheinend ist nur in Deutschland das Fahren auf der Autobahn kostenlos. Apropos deutsche Autobahn: Das man diese Schnellstraße nicht mit unserer Autobahn vergleichen kann, war uns eigentlich klar. Es ging zwar schneller, im Durchschnitt 50 km/h, ansonsten herrschte aber das übliche indische Chaos.

Bis 10 Uhr sind wir relativ gut vorangekommen, doch dann begann das Unheil. Ein LKW war umgekippt. Wie fast alle, die wir sahen, total überladen. Über einen Feldweg konnten wir die Unfallstelle elegant umfahren, um nach kurzer Zeit wieder in einen Stau zu geraten. Disziplin ist für indische Autofahrer, unserer Fahrer eingeschlossen, ein absolutes Fremdwort. Sobald sich eine Lücke aufgetan hat, fuhr auch schon einer rein. Der Seitenstreifen, soweit man von einem solchen überhaupt sprechen konnte, wurde natürlich mitbenutzt. Teilweise standen auf der einspurigen Straße vier Autos nebeneinander in eine Richtung. Das dadurch der Gegenverkehr auch nicht weiter kommt, war uninteressant. Es ging gar nichts mehr. Erst als nach Stunden Soldaten sich der Sache (mehr oder weniger geschickt) annahmen, entspannte sich die Situation. Insgesamt brauchten wir für 5 Kilometer 5 Stunden.

Nach Überquerung des Ganges lief der Verkehr wieder normal. Erst später erfuhren wir, das heute Buddha Purnima, ein hinduistischer Feiertag, war. An diesem Tag wird die Geburt Buddhas, seine Erleuchtung und das Erreichen des Nirwana gefeiert. An diesem Tag, jedoch in unterschiedlichen Jahren, sollen die Ereignisse stattgefunden haben. Gerade an diesem Tag wird natürlich eine rituelle Reinigung im Ganges von Pilgern bevorzugt. Ein Bad im heiligen Fluss soll von Sünden befreien. Viele Inder wollen auch am Ganges sterben oder das ihre Asche im Fluss verstreut wird. Ganga ist der indische Name für den Fluss Ganges und auch der Name einer Göttin im Hinduismus. Der Fluss ist die Personifizierung dieser Gottheit. Das die reinigende Wirkung eines Flussbades – wenn überhaupt – nur religiösen Gesichtspunkten standhält, merkt man schnell, wenn man sich die Umweltbilanz dieses Flusses genauer anschaut. Der Ganges gehört bestimmt zu den schmutzigsten Flüssen überhaupt. Die Belastung von Kolibakterien ist bis zum 2000mal höher als erlaubt. Die bisherigen Umweltschutzmaßnahmen haben nur wenig Erfolg gezeigt.

Gegen 19 Uhr haben wir schließlich unser Ziel, das Tiger Camp am Corbett-Nationalpark erreicht. Wir waren angenehm überrascht über die Ausstattung und Größe des Zimmers. Entsprach durchaus westlichen Ansprüchen. Und es gab endlich mal wieder eine Badewanne, was Andrea natürlich am Abend ausnutzte. Das Essen bzw. das Buffet war auch in Ordnung. Vorm Schlafengehen machten wir noch einen kurzen Spaziergang außerhalb der Anlage. Einen Moment hatten wir nicht aufgepasst und schon sind wir wieder in eine indische Hochzeitfeier geraten. Kaum hatte man uns gesehen, wurden wir auch schon gebeten mitzufeiern. Die Inder sind wirklich gastfreundlich, so unser Eindruck nach ein paar Wochen. Die Hochzeitsfeier war weniger formell, als die die wir in Delhi gesehen hatten. Entsprach eher unserem Polterabend. Es gab sogar einen Diskoboden, mit Lichtern. Andrea mit Ihren blonden Haaren fiel natürlich besonders auf. Wieder zurück buchten wir für morgen früh eine Dschungelführung und für den Nachmittag eine Jeep-Safari.


135. Tag – 14.05.2006

Auf der Suche nach dem Tiger, so könnte man unser Motto im Corbett-Nationalpark beschreiben. Der ca. 520 km² große Nationalpark entstand 1936 maßgeblich auf Initiative des in Indien sehr berühmten Jägers und Buchautors Jim Corbett. 1957 wurde der Nationalpark zu seinen Ehren nach ihm umbenannt. Corbett hat über ein Dutzend Menschen fressender Tiger und Leoparden (man-eater) erlegt, die für den Tod von rund 1.500 Menschen verantwortlich waren. Er erschoss u.a. den Champawat Tiger und den Panar Leoparden, die jeweils über 400 Menschen töten.

Um 7 Uhr startete unsere morgendliche Wanderung mit Führer. Der Dschungel oder besser gesagt die Wildnis beginnt direkt hinter dem Camp. Allein sollte man nicht losgehen, wurden wir gewarnt. Machten wir auch nicht. Unser Guide war sehr gut und vor allem hilfreich. Jede Menge interessanter Dinge über die Tiere und die Natur haben wir von ihm erfahren. Hauptsächlich Vögel konnten wir beobachten. Ohne ihn hätten wir sie in den Bäumen nicht erkannt. Einige Rehe und die Spuren eines wilden Elefanten haben wir auch entdeckt. Der Elefant war als Einzelgänger unterwegs und demzufolge als gefährlich einzustufen. Nach 2 Stunden war die Wanderung zu Ende und wir freuten uns auf das Frühstück.

Mit unserem gemieteten Landrover wollten wir danach die Gegend erkunden. Unser Fahrer Sanseev hatte die Nacht im Auto verbracht und war froh, mit uns jetzt etwas unternehmen zu können. Erste Station war ein Wasserfall, in dem sich jede Menge Inder Abkühlung verschafften. Nächste Station war das Jim Corbett-Museum. Hier haben wir viel über den berühmten Jäger erfahren, der ganz in der Nähe, in Nainital, geboren wurde. Jim Corbett hat auch einige Bücher über seine Abenteuer geschrieben, die in Großbritannien und Indien sehr populär sind. Wieder zurück im Camp gönnten wir uns nach einem guten Lunch erstmal ein Mittagsschläfchen. Um 15 Uhr ging es weiter.

Diesmal sollte es mit dem Jeep in den eigentlich (geschützten) Park gehen, der ca. 45 min vom Tiger Camp entfernt war. Wir hatten einen neuen Führer bekommen, der sich leider mehr auf das Fahren, als auf Informationsweitergabe konzentrierte. Egal, war trotzdem spannend. An den wichtigen Stellen hielt er an und machte uns auf die gefährlichen Tiere der Wildnis aufmerksam, wie z.B. Affen, Pfauen und vor allem Rehe. Nach ca. 4 Stunden war unsere Jeep-Safari zu Ende. Wir waren schon ein wenig enttäuscht, wollten es aber morgen früh noch mal probieren.



136. Tag – 15.05.2006

Punkt 4:30 Uhr wurden wir geweckt. Kaffee und Tee mit ein paar Keksen standen vor der Tür. Eine halbe Stunde später ging´s auch schon los. Morgens sollen ja die Tiger besonders gut anbeißen. Der heutige Ausflug führte uns in den Hauptteil des Parks. Am Eingang warteten schon ein halbes Dutzend anderer Gruppen mit ihren Jeeps. Wir hatten diesmal auch einen offiziellen Rancher des Parks dabei. Leider war er auch nicht viel besser als sein Vorgänger.
Die üblichen Verdächtigen des Vortages Muntjaks und Axishirsche wurden gesichtet. Teilweise recht gut getarnt. Insgesamt ist am frühen Morgen doch mehr los. Dann plötzlich Aufregung. Unser Führer hat Tigerspuren entdeckt. Die Spuren sind noch frisch. Ein anderer Jeep kommt dazu. Wir nähern uns ganz leise und bleiben dann ganz still stehen und warten. Die Spannung ist kaum auszuhalten. Man hört Warnschreie der Affen. Ein gutes Zeichen, der Tiger muss ganz in der Nähe sein. Nach 10 Minuten geben wir dann doch auf und fahren weiter. Leider sind wir für den Rest der Tour einem Tiger nicht näher gekommen. Über ein ausgetrocknetes Flussbett – es ist im Moment Trockenzeit – fuhren wir zurück ins Camp. Wir wollten keinen weiteren Versuch starten und beschlossen unsere Sachen zu packen und nach Nainital zu fahren. Ein bisschen enttäuscht waren wir schon vom Corbett-Nationalpark. Nachdem wir im Garten noch schnell ein Foto mit Tiger, genauer gesagt einem Stofftiger, gemacht hatten, sagten wir goodbye.
Die Fahrt nach Nainital war sehr schön. Wir fuhren über viele Serpentinen und bewunderten die beeindruckende Berglandschaft am Fuße des Himalajas. Gegen 13 Uhr hatten wir unser Ziel erreicht. Eine Unterkunft war auch schnell gefunden und entsprach unseren (geringen) Ansprüchen. Eine Vorauswahl hatten wir mit Hilfe des Lonely Planets getroffen. Nainital liegt ca. 2000m über dem Meersspiegel und ist ein bekanntes Touristenziel in der Region. Im Winter kann man hier auch Ski fahren, es gibt einige Seilbahnen. Von unserem Hotelzimmer hatten wir einen herrlichen Blick auf den See. Nach dem Mittagessen legten wir uns erstmal hin. Lothar ging es nicht so gut, er brütete was aus.

Am späten Nachmittag machten wir einen kleinen Spaziergang durchs Dorf. In Nainital gibt es einen großen Dorfplatz. Dort fand gerade ein Cricketspiel statt. Wir schauten eine Zeit lang zu, gingen aber relativ schnell wieder weiter. Was für ein langweiliges Spiel. Wir kann man nur Stunden, manchmal sogar Tage, einem solchen Spiel zuschauen? Zumindest bei dieser Sache haben die Inder viel von den Briten gelernt und sind sogar Weltspitze. Genau so beschaulich ging es am anderen Ende des Dorfplatzes zu. Hier war eine kleine Kirmes mit Flohmarkt aufgebaut. Wir schlenderten ein wenig entlang der Stände und bewunderten das kleine Riesenrad. Anscheinend wurde es mit einem Zwei-Takt-Motor angetrieben, so interpretieren wir zumindest die Motorgeräusche. Unseren kleinen Ausflug mussten wir aber vorzeitig abbrechen. Die „indische Krankheit“ hatte Lothar wieder in ihren Bann gezogen. Neben Durchfall und Erbrechen kam jetzt auch noch eine Erkältung hinzu. Ihm ging es wirklich schlecht. Andrea besorgte Medikamente in der Apotheke.


137. Tag – 16.05.2006

Lothar geht es immer noch schlecht. Wir beschließen hier zu bleiben und nicht weiter nach Raniketh zu fahren. Andrea schlägt vor, eine kleine See-Tour zu machen und fragt, ob er sich fit genug dafür fühlt. Lothar interpretiert: Mit dem Auto einmal um den Nainital-See fahren; Fahrzeit ca. 30 Minuten; bei „Bedarf“ so oft wie möglich anhalten; alles sehr relaxt; im Notfall kurzfristig zurück. Andrea meint aber: Eine Tour zu den benachbarten Seen; Fahrzeit ca. 3 – 4 Stunden.

Lothar stimmte dem Vorschlag guten Gewissens zu. Das Verhängnis nahm seinen Lauf. Erste Zwischenstation war ein Hindu-Tempel auf einer nahe gelegenen Bergspitze. Wenig spektakulär, aber trotzdem schön anzusehen. Man hatte eine sehr schöne Aussicht auf die umliegenden Täler. Auch hier, wie schon mehrmals zuvor, fiel uns auf, wie achtlos die Inder mit ihrer Umwelt umgehen. Der Abfall wird einfach weggeschmissen. Interessiert doch keinen.

Weiter ging´s zum ersten See. Fahrzeit: eine Stunde, immer die Serpentinen rauf und runter, also genau das Richtige für einen, der die halbe Nacht auf der Toilette verbracht hatte. Unser Kommunikationsproblem wurde offensichtlich und es kam zur Aussprache beim nächsten Halt. Ergebnis: Kompromiss. Lothar raffte seine letzten Kräfte für eine etwas verkürzte Seen-Tour zusammen und Andrea gelobte in Zukunft (noch) mehr Einfühlungsvermögen an den Tag zu legen.

Unter normalen Bedingungen wäre es bestimmt für uns beide ein schöner Ausflug gewesen. Die Landschaft erinnerte uns stark an die Alpen, nur die Häuser waren anders. Am Horizont konnte man den Himalaja erahnen. Auf dem Rückweg versuchte ein Polizist uns anzuhalten. Unser Fahrer haute einfach ab. Anscheinend hatte er keine Genehmigung, Touristen zu befördern. Zu allem Unglück mussten wir jetzt auch noch einen Umweg in Kauf nehmen, um dem Polizisten nicht noch mal zu begegnen.

Zurück im Hotel musste sich Lothar erstmal erholen. Wir beschlossen, morgen nach Delhi zurückzufahren. Es wäre ansonsten zu knapp geworden mit dem Flug nach Mumbai. Wir hatten ja noch keine Flugtickets.


138. Tag – 17.05.2006

Um 7 Uhr klopften wir an die Scheibe des Mietautos. Unser Fahrer hatte verschlafen. Sichtlich peinlich berührt entschuldigte er sich mehrmals. Halb so wild, dachten wir. Nach einer Viertelstunde war er auch so weit und die Rückfahrt nach Delhi konnte beginnen.

Wir fuhren über Kathgodam. Hier wäre die Endstation gewesen, wenn wir vor ein paar Tagen den Zug genommen hätten. Insgesamt brauchten wir 7,5 Stunden bis Delhi. Unterwegs hielten wir ein paar Mal an, Mittag machten wir kurz vor dem Ganges. Unvermeidlich sind wir auch wieder in Staus geraten. Kein Wunder bei der Fahrweise der Inder. Jede Menge Verkehrsunfälle und Reifenpannen von LKW´s haben wir gesehen. Die LKW waren fast alle total überladen. Ein bunter Mix von Fahrzeugen, wie es ihn wahrscheinlich nur in Indien gibt, tummelte sich auf den Straßen: PKW und LKW (von neu bis antik), Pferde- und Ochsengespanne, Tuk-Tuks, Motorräder, Fahrräder und natürlich noch Fußgänger.
In Delhi sind wir zuerst zum Qantas-Büro gefahren und haben den Rückflug von Mumbai nach Deutschland fest für den 24.05. vorgezogen. Gegen eine Gebühr von 50 Euro pro Ticket war dies möglich. Dann wieder zurück zu Renu und ihrem Gasthaus. Schön wenn man in vertraute Umgebung zurückkehren kann. Wir bedanken uns bei unserem Fahrer und gaben ihm ein ordentliches Trinkgeld.

Übers Internet buchten wir einen Flug bei Spicejet für übermorgen nach Mumbai. Spicejet war übrigens die einzige Fluggesellschaft, bei der Ausländer problemlos Tickets zum gleichen Preis kaufen können. Wir waren froh, als wir diesen Unsicherheitsfaktor bei der weiteren Reiseplanung auch abhaken konnten. Zum Abendessen könnten wir uns mal wieder selbst gemachte Pasta. Lecker, besonders in Indien, mangels Alternativen. An indisches Essen getrauten wir uns wegen der Magenprobleme noch nicht wieder ran.

Lothar ging es auch wieder viel besser. Lag es an der Pasta oder an der baldigen Heimkehr nach Good Old Germany? Wir waren jedenfalls beide ziemlich happy. In der Nacht schauten wir uns noch das Champions League Finale Barcelona gegen Arsenal an, diesmal ohne Schneegestöber.


139. Tag – 18.05.2006

Heute blieben wir daheim. Aufgabenschwerpunkte: Lange ausschlafen; Internet-Recherche; Kontaktpflege mit der Heimat übers Internet und unser Tagebuch auf den aktuellen Stand bringen. Das Hotel in Mumbai buchten wir telefonisch, was sich als relativ schwierig herausstellte. Mit Renu quatschten wir noch viel über die vergangenen Tage. Als Abschiedsgeschenk hat Andrea ihr noch einen Apelstrudel gebacken.

Noch mehr Fotos gibt´s in unserem Webalbum.

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