30. November 2008

Fahrt durch den Mittleren Westen

161. Tag – 26.07.2006

Es regnete. Etwas spät dran, starten wir unsere Fahrt gen Westen. Bei der Planung der Coast-to-Coast-Tour hatten wir uns an einer Bustour aus einem Reisekatalog orientiert. Die Tatsache, dass hierbei - im Gegensatz zu uns - professionelle Busfahrer beteiligt sind, die die Strecke wahrscheinlich schon dutzende Male gefahren sind, und die Route inkl. der Unterbringungen bereits vor Fahrtantritt feststeht, haben wir gewaltig unterschätzt. Um es kurz zu machen, wir fühlten uns fast immer ein wenig gehetzt. Das ganze Dilemma ist aber hauptsächlich dadurch begründet, dass wir wegen der VISA-Bestimmungen das Flugticket aus den USA bereits vorher kaufen mussten und somit der Endtermin fix war. Anyway, wir machten das Beste draus.

Mittagessen gab es bei Clinton, einem kleinen Kaff kurz hinter der Grenze zum Bundesstaat Iowa. Kurz vorher hatten wir übrigens den Mississippi überquert. Wir genehmigten uns ein Sandwich in Homer´s Deli. Hierfür ist der Laden auch schon ausgezeichnet worden, wie die aufgehängten Urkunden verrieten. Uns hat´s auch geschmeckt, wobei wir unsere Ansprüche in Amerika auf das Notwendigste reduziert hatten.

Immer entlang des Mississippi fuhren wir bis Dubuque. Unterwegs machten wir an einer schönen Flusspromenade in Bellevue Rast. Ab Dubuque ging es auf den Federal Highway 20 (ähnlich einer Bundesstraße bei uns) und dann geradeaus. Wirklich immer nur schnurrgeradeaus. Kein Wunder, in den Gründerzeiten der USA wurden zuerst die Straßen Richtung Westen gebaut und erst dann haben sich die Menschen dort angesiedelt. Wir fuhren stundenlang an riesigen Maisfeldern vorbei. Ab und zu konnte man eine Farm sehen. Auf der Straße gab es nur wenig Verkehr. Cedar Falls, eine etwas größere Stadt auf dem Weg, kam da gerade recht. Wir fuhren zum ausgeschilderten Touri-Büro und erkundigten uns, was es hier so alles gibt, insbesondere an Unterkunftsmöglichkeiten, denn es war mittlerweile auch schon wieder 18 Uhr. Entsprach nicht so unseren Vorstellungen, es ging also weiter.

So ´ne Geradeausfahrt kann ziemlich ermüdend sein. Lothar war erschöpft, hielt aber eisern durch. Im Radio kommt D.O.A. von den Foo Fighters. Dieses Lied geht uns seit der Magic-Bustour in Neuseeland nicht mehr aus dem Kopf. Lothar dreht den Lautstärkeregler bis fast zum Anschlag. Das Auto wird wie von Geisthand immer schneller, bis zu 75 MpH. Andrea will noch warnen – zu spät! Aus dem Nichts taucht plötzlich eine Polizeistreife mit Blaulicht auf. Wir fahren rechts ran. Was würden sie mit uns machen, welche Strafe kommt auf uns zu? Man kennt das ja aus Hollywood-Streifen: Hier, auf dem „Land“ geht alle Staatsgewalt vom Police-Offizier aus. Ruckzuck geht man für ein paar Jahre hinter Gittern, wenn´s gut läuft.

Es kam aber ganz anders. Der nette Ordnungshütter machte uns erstmal darauf aufmerksam, dass unser Tacho Meilen und nicht Kilometer pro Stunde anzeigt. Das wussten wir zwar, schwiegen aber. Weil wir Touristen und oberndrein noch aus Deutschland waren (er konnte schon mal die Vorzüge der deutschen Autobahn persönlich genießen), beließ er es bei einer Ermahnung. Wie bedankten uns artig und fuhren weiter.

Jetzt hatten wir keine Lust mehr auf eine längere Fahrt. Wir schauten auf die Karte und entschieden uns für Fort Dodge als Endstation. Das hiesige Day Inn-Motel sollte uns Unterschlupf für die Nacht gewähren. Zum Abendessen gingen wir über den Parkplatz zum Hickory House, einfaches amerikanisches Essen. Wir kamen noch mit der Kellnerin ins Gespräch, die uns gleich als Nicht-Amerikaner identifiziert hatte. Sie war auch schon mal in Deutschland, erzählte sie uns. Während einer 10tägigen Europareise hatte sie Deutschland kennen und schätzen gelernt. Gutes Essen und alles so schön sauber. Na, wenn das nichts ist…


162. Tag – 27.07.2006

Die heutige Tagesaufgabe hieß: Meilen fressen. Wie bereits erwähnt liefen bzw. fuhren wir unserem Plan-Soll immer etwas hinterher. Die Voraussetzungen waren gut, denn wir schafften es endlich einmal früh loszufahren und auf der anvisierten Strecke lagen auch keine besonderen Sehenswürdigkeiten, die uns hätten in Versuchung bringen könnten. Nach einem Pappbecher- und Pappteller-Frühstück im Motel (ökologisch sind die hier noch in den 50zigern), auf das wir ruhig hätten verzichten können, ging´s erstmal wieder auf der US 20 gerade aus bis Sioux City, von dort aus rechts abgebogen auf die Interstate 29 nach Sioux Falls und dann Richtung Norden, was man auch den Straßenschildern entnehmen konnte. Die Interstates entsprechen unseren Autobahnen, nur i.d.R. ´ne Nummer größer. Zügig erreichten wir dann Sioux Falls zum Lunch. Wir haben übrigens den Bundesstaat wieder gewechselt und befinden uns jetzt in South Dakota.

Gestärkt ging es jetzt auf der Interstate 90 wieder in westliche Richtung. Bei der Touristen-Info in Mitchel erkundigten wir uns, was South Dakota so zu bieten hat. Man sprach sogar deutsch. Die Großeltern des netten, älteren Herrn waren nach dem 1.Weltkrieg aus Deutschland ausgewandert. Wir bekamen nützliche Tipps für unser Tagesziel, den Badlands-Nationalpark. Während der Fahrt merken wir wie sich die Landschaft veränderte. Gestern sind wir hauptsächlich an Maisfeldern vorbeigefahren. Es folgte eine etwas andere Gemüseart (bei 75 Mph kann man das schlecht erkennen), nach Sioux Falls wurde es hügelig, danach endlose Getreidefelder, bei unserem heutigen Ziel Interior schließlich Prärie, wohin man nur schaut.

Interior liegt unmittelbar am Badlands-Nationalpark, den wir morgen besuchen wollten. Wir kamen an einem Aussichtspunkt vorbei und konnten die herrliche Gebirgslandschaft bewundern. Dort kamen wir auch ins Gespräch mit Matt und Gretchen. Beide waren schon mal in Deutschland, Matt sogar für ein ganzes Jahr während seiner Studienzeit. Den Sonnenuntergang genossen wir dann wieder in gewohnter Zweisamkeit vor unserer Unterkunft, dem Budget Host Motel. Heute waren wir rund 800 km gefahren, nicht schlecht. Dem Tempomat in unserem Auto gebührt an dieser Stelle besonderer Dank.


163. Tag – 28.07.2006

Die Stille der Badlands wurde je gestört. Andrea kam auf die glorreiche Idee den Handywecker um 5:30 Uhr zu stellen, um ja nicht den Sonnenaufgang zu verpassen. Nichts für Lothar, der dreht sich noch mal um. Mit Fotoapparat bewaffnet nahm Andrea das selbst in die Hand. Es hat sich gelohnt: Die Stille der Badlands und am Horizont steigt langsam die Sonne auf. Es kamen wirklich schöne Bilder heraus. Mit jedem Sonnenstrahl wurde es auch wärmer. In der Nacht kann es ganz schön kalt werden. Nach anderthalb Stunden waren wir am Frühstückstisch wieder vereint. Ein Rancher aus der Nähe wollte von uns wissen, wie groß die Bauernhöfe in Deutschland sind. Mit einem eindeutigen „wahrscheinlich nicht so groß wie hier“ konnten wir seinen Wissensdrang fürs Erste befriedigen.

Zuerst fuhren wir zum Visitor Center des Nationalparks, der sich gleich am Eingang befand. Hier gab es eine informative Ausstellung plus Film über die Badlands, die ihr Aussehen jahrhundertelangen Witterungseinflüsse zu verdanken haben. Für die Landwirtschaft bzw. Siedler war das Gebiet sehr „schlecht“ zu gebrauchen, wodurch sich der Name „Badlands“ einbürgerte. Mit dem geballten Wissen aus der Ausstellung wollten wir nun aber die Badlands in Natura sehen. Mit unserem Ponitac-Sportflitzer passierten wir den Eingang. Der ganze Nationalpark ist sehr automobilfreundlich „angelegt“. Es gibt jede Menge Stoppmöglichkeiten, um die Landschaft zu bewundern und auch mal ein Foto zu machen. Leider hatten wir keine Zeit für eine Wanderung. Der Film „Der mit dem Wolf tanzt“ mit Kevin Costner wurde übrigens größtenteils hier gedreht.
Neben der Berglandschaft hat der Badlands-Nationalpark auch eine große Präriefläche aufzuweisen. Als wir so gemächlich dahinfuhren, erblickten wir auf einmal eine Kolonie von Präriehunden. Diese niedlichen Gesellen hatten sich offensichtlich schon ganz an die Menschen gewöhnt und hielten auch für ein gutes Foto still. In erheblich größerer Entfernung konnten wir eine Herde von Büffeln beobachten, die hier ein Zuhause gefunden haben. Korrekterweise handelt es sich hierbei um amerikanische Bisons, die (fälschlicherweise) allgemein als Büffel (eng. Buffalo) bezeichnet werden. Bevor der weiße Mann das Land betreten hatte, lebten schätzungsweise ca. 60 Mio. Bisons in Nordamerika. Heute gibt es noch rund 350.000 diese Art. Einen großen Anteil daran, dass diese Tierart nicht ausgestorben ist, hat die Gründung des Yellowstone-Nationalparks im Jahre 1872. Hierdurch wurde den Tieren eine letzte Rückzugsfläche geboten.

Kurz nach dem wir den Nationalpark verlassen hatten, mussten wir auf Lothar´s Wunsch hin unbedingt zu einer Drogerie fahren. Nicht zu irgendeiner, sondern zu der weltweit berühmtesten. Gemeint ist der legendäre Wall Drug Store. Als die Familie Hustead im Jahre 1931 mitten in der Wirtschaftskrise die Drogerie kaufte, musste eine geeignete Marketingstrategie gefunden werden, um die Reisenden von der Straße zu locken. Man kam auf die geniale Idee überall auf dem Highway Schilder mit dem Hinweis auf kostenloses Eiswasser aufzustellen. Es funktionierte und der Rest ist Geschichte. Das Geschäft ist immer noch in Besitz der Familie Hustead. Aus der Drogerie wurde mittlerweile ein ganzer Straßenzug und dazugehörige Restaurants. Im Sommer kommen sage und schreibe bis zu 20.000 Besucher pro Tag. Wir speisten natürlich auch dort und schauten uns die ganzen Souvenirs an. Lothar fand´s „voll cool“, Andrea wollte nur schnell wieder weg.

Nächste Station unserer Tagesetappe sollte Mount Rushmore sein. Wir fuhren zunächst die Interstate 90 entlang bis Rapid City. Von da an ging es über kleinere Bundesstraßen bis nach Keystone. Hier reiht sich ein Hotel an das andere. Anscheinend übernachten die meisten Mount Rushmore-Besucher hier, wir jedenfalls nicht. Alles sehr kommerziell und touristisch. Schließlich erreichten wir das Nationaldenkmal Mount Rushmore. Hier sind die Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln (v.l.n.r.) überdimensional in Stein bzw. in die Black Hills gemeißelt. Von 1927 bis 1941 wurde dieses Monument geschaffen. Jeder Kopf ist rund 18 m hoch. Die geplante Erweiterung bis auf Taillenhöhe wurde aus Geldmangel nie ausgeführt. Wir sahen uns zu Beginn einen Film über die Entstehung an und machten anschließend den Präsidenten-Rundgang.
Etwa 25 km entfernt wartete das nächste, allerdings noch unvollendete, Monument auf uns. Hier wird seit 1948 an dem Crazy Horse-Memorial gearbeitet. Crazy Horse war ein bedeutender Indianerführer. Zusammen mit Sitting Bull fügte er der US-Armee unter General Custer am Little Big Horn eine empfindliche Niederlage zu. Der Indianerhäuptling wird auf einem Pferd reitend dargestellt. Bisher ist nur das Gesicht fertiggestellt und die Umrisse der ausgestreckten Hand sowie des Pferdekopfes sind erkennbar. Es soll ein Denkmal für alle Ureinwohner Amerikas werden.
An dem Projekt, das ausschließlich aus privaten Spenden finanziert wird, arbeitet hauptsächlich die Familie des damaligen Schöpfers Ziolkowski. Bei diesem Personaleinsatz wird es wohl noch mindestens 100 Jahre bis zur Fertigstellung brauchen. Allein der Kopf des Pferds ist so groß wie alle vier Präsidentenköpfe am Mount Rushmore zusammen. Wir schauten uns die Indianerausstellung interessiert an und spendeten auch etwas.

Wie fuhren weiter über Custer (benannt nach dem Verlierer der Schlacht am Little Big Horn, der dort auch starb) bis nach Newcastle in Wyoming. Zu diesem 3.000-Einwohner-Städtchen gibt es nicht viel zu sagen. Wir übernachteten im Stardust Motel und aßen mal wieder sehr amerikanisch im Tommy´s Mills Café, direkt neben der Raffinerie.


164. Tag – 29.07.2006

Nach einer netten Unterhaltung mit der Motel-Chefin über ihre deutschen Großeltern und ihren Deutschlandbesuch vor 15 Jahren starteten wir so gegen 9 Uhr. Unser Ziel heute war Cody, eine kleine Stadt kurz vor dem Yellowstone Nationalpark, nach unserer Schätzung etwa 550 km entfernt. Eine ganz schöne lange Strecke. Unterwegs wollten wir trotzdem immer mal Zwischenstopps einlegen.

In der kleinen Stadt Moorcroft entschieden wir uns für einen kleinen Umweg von ca. 100 km zum Devils Tower National Monument. Schon von weitem sieht man den Monolithen fast senkrecht aus der Ebene aufragen. Ein beeindruckender Anblick, kein Wunder, dass der Devils Tower für viele Indianervölker heilig ist und sich zahlreiche Sagen um ihn ranken. 1906 wurde der Devils Tower von Präsident Roosevelt zum ersten Nationalen Monument der USA erklärt, um dieses einmalige Stück Natur für nachfolgende Generationen zu erhalten. Am Besucherzentrum machten wir eine kurze Pause und sahen uns nach Souvenirs um. Übrigens erlangte der Devils Tower auch filmische Berühmtheit: Steven Spielberg machte ihn 1977 in seinem Film Unheimliche Begegnung der dritten Art zum Landeplatz für Außerirdische. Etwas außerirdisch kamen uns auch einige der vielen Harley-Fahrer vor, die hier unterwegs waren. Später erfuhren wir, dass in ein paar Tagen in Sturgis, einem kleinem Ort in der Nähe, das berühmte jährliche Biker-Treffen stattfinden würde. Viele nutzen die Zeit vor dem Treffen für Erkundungsfahrten in der Gegend.

Wir machten uns wieder auf den Weg. Nachdem wir Moorcroft heute zum zweiten Mal durchquerten, führte die Straße bis Gilette parallel zur Eisenbahnstrecke, auf der wir ewiglange Züge sahen. Über Buffalo ging es weiter bis nach Sheridan. Dort ließen wir uns in der Touristenbüro ein paar Informationen über Cody geben. Wir erfuhren, dass dort heute ein Rodeo stattfindet. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen und brachen nach einem kurzen Bummel durch die historische Altstadt auf. Wobei historisch relativ ist: die ältesten Gebäude stammten aus dem Jahr 1900.

Weiter ging es durch die Bighorn Mountains entlang der US 14, dem Bighorn Scenic Byway. Wir fuhren entlang idyllischer Wäldchen und Wiesen, schließlich ragten links und rechts steile Felswände auf. An den Shell Falls machten wir einen Stopp. Ein interessanter Lehrpfad führt entlang der Wasserfälle. Es werden die Entstehung der Fälle sowie die umgebende Flora und Fauna erklärt. Viel Zeit ließen wir uns aber nicht, wir wollten ja unbedingt das Rodeo miterleben. Die Strecke war weiterhin landschaftlich sehr schön, fast menschenleer. Kurz vor Cody, es fing schon an zu dämmern, sahen wir auf einmal Blaulicht vor uns. Ein Autofahrer war in eine Geschwindigkeitskontrolle geraten. Kann ja mal passieren. Das Ganze hatte offensichtlich Methode, in den nächsten 20 Minuten sahen wir vier weitere Polizeiautos. Die Gemeindekasse muss anscheinend aufgefüllt werden.

In Cody angekommen, gestaltete sich die Suche nach einer Unterkunft recht schwierig. Erst beim fünften Motel – mittlerweile war es kurz vor 20 Uhr – hatten wir Glück und bekamen ein Zimmer zum angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnis. Wegen dem Bikertreffen in Sturgis war auch hier viel los. Übrigens wurde Cody nach dem legendären Buffalo Bill benannt, der mit bürgerlichen Namen William Frederik Cody hieß. Buffalo Bill verdankt seinen (Spitz-)Namen der erfolgreichen Jagd nach Büffeln. Berühmtheit erlangte er dadurch, dass seine Abenteuer in Groschenheften veröffentlicht wurden und durch seine eigene Wildwest-Show, die ihn bis nach Europa führte. Die Stadt pflegt sein Andenken und das Wildwestimage bis heute.

Wir schafften es gerade noch rechtzeitig zur Nationalhymne. Im Stadion waren ungefähr 1.000 Besucher. Das Cody Nite Rodeo findet im Sommer jeden Abend statt. Schließlich will man den Touristen zeigen, was der Wilde Westen so zu bieten hat. Es wurden zahlreiche Wettkämpfe aus dem Rodeosport geboten: Bullenreiten, Kälberfangen, Geschicklichkeitsreiten der Frauen, Bronco-Reiten der Männer (Broncos sind Wildpferde bzw. wildgewordene Pferde). Bei gefährlichen Situationen griffen die Rodeoclowns ein und lenkten die Tiere ab. Auf jeden Fall nix für Warmduscher. Freiwillige durften sogar mal einen Bullen reiten. Ein Kollege der Hells Angels Fraktion hatte genügend Mut, aber nicht die nötige Ausdauer. Nach ein paar Sekunden war Schluss. Für die Kinder gab es auch was: Kälbchen jagen. Wir fanden das ganze Spektakel amüsant, zumindest sollte man es einmal erlebt haben. Für eine Erkundung des Nachtlebens von Cody hatten wir nach der 650 km langen Fahrt keine Energie mehr.

Noch mehr Fotos gibt´s in unserem Webalbum.

Chicago - The Windy City

159. Tag – 24.07.2006

Heute stand Stadtbesichtigung auf dem Plan. Zuvor mussten wir erstmal wieder Organisatorisches im Internet klären bzw. recherchieren. Hierfür geht zwar ziemlich viel Zeit drauf, ist aber unvermeidlich. Wir können uns nur sehr schwer vorstellen, wie man eine solche Weltreise ohne Internet organisieren kann. Nach einem zweiten Frühstück ging es dann endlich los. Wir orientierten uns mal wieder an einem empfohlenen Walk aus dem Lonely Planet.

Chicago ist mit 2,8 Mio. Einwohnern (in der Region leben rund 9,5 Mio. Menschen) die drittgrößte Stadt der USA und ein bedeutender Handelsplatz, u.a. auch bedingt durch seine Lage am Michigansee, einem der fünf großen Seen Nordamerikas. Der Name der Stadt leitet sich übrigens aus dem indianischen Wort Checagou ab, was frei übersetzt soviel bedeutet wie: „Land, das nach Zwiebeln stinkt“. Wir haben jedenfalls nichts (mehr) gerochen. Chicago, wie auch Wellington in Neuseeland, das wir ganz am Anfang unserer Weltreise besuchten, wird auch „windy city“ genannt. Nicht nur wegen der starken und rauen Winden, die vom Michigansee in die Stadt hereinziehen und im Winter für ziemlich unangenehme Temperaturen sorgen, sondern auch wegen der Cleverness der Einwohner hat sich der Name festgesetzt. Da wir schon mal bei Namensgebungen sind: Anfang des vorigen Jahrhunderts war Chicago auch als „hog butcher for the world“, übersetzt „Schweineschlächter für die Welt“, bekannt. In den riesigen Schlachthöfen der Union Stock Yards wurden bis zu 82% des gesamten Fleischbedarfes der Vereinigten Staaten quasi industriell produziert. Erstmals kam hierbei auch das Fließband zum Einsatz.

Erste Station auf unserem LP-Walk war eines der berühmtesten Gebäude Chicagos: der Water Tower. Dieser prächtige Wasserturm war das einzige Gebäude, das vom Großen Brand von 1871 verschont geblieben ist. Zwei Tage lang wütete die wohl größte Feuerkatastrophe der Welt und zerstörte nahezu die gesamte damalige (Innen-)Stadt. Der Legende nach soll eine Kuh durch Umstoßen einer Laterne den Brand verursacht haben. Die Stadt wurde schnell wieder aufgebaut. Ihr heutiges Aussehen verdankt die Stadt auch der Tatsache, dass die Stadtplanung bei Null beginnen musste/konnte.

Wir gingen weiter der Michigan Avenue entlang, die in diesem Abschnitt auch Magnificent Mile genannt wird, entlang. Hier kann man(n) oder frau nach Herzenslust shoppen gehen. Sowohl Mega-Einkaufscenter, als auch Luxusläden der bekannten Weltmarken bieten genug Möglichkeiten den einen oder anderen Dollar loszuwerden. Wir hielten uns (vorerst) nicht damit auf und gingen weiter zum John-Hancock-Center. Der 344m hohe Wolkenkratzer, immerhin das derzeit achthöchste freistehende Gebäude der Welt, besticht durch sein ausgewöhnliches Erscheinungsbild. Die gesamte Fassade ist in tiefschwarz gehalten. Die Stahlträger sind anders als bei normalen Hochhäusern nicht verkleidet, sondern gut sichtbar von außen. Mit dem Fahrstuhl, mit was auch sonst, fuhren wir in den 94. Stock zum Observatory, der Aussichtsetage. Diese wirbt mit der weltbesten Vogelperspektive (wenn Vögel so hoch fliegen würden). Und in der Tat: von hier oben hatten wir einen phänomenalen Blick auf die Skyline und die Küste des Michigansees. Dort oben gibt es auch noch eine interessante Ausstellung über Chicago und die Möglichkeit ein paar lustige Schnappschüsse zu machen, was wir natürlich auch taten, wie ihr sehen könnt.
Wieder unten angekommen war es für Andrea höchste Zeit dem hiesigen H&M-Laden einen Besuch abzustatten. Nach dem wir diesen „wichtigen“ Punkt hinter uns gelassen hatten, kauften wir uns noch ein Buch über die Nationalparks der USA. Wie bei anderen Dingen waren wir nicht so richtig gut vorbereitet. Wir machten aber das Beste daraus und holten uns die notwendigen Infos „zeitnah“ während der Reise. Unsere Sightseeing-Tour ging weiter zum Tribune Tower. Die Chicago Tribune schrieb 1922 einen weltweiten Architekturwettbewerb aus, auf der Suche nach "the most beautiful and eye-catching building in the world", also dem schönsten Gebäude der Welt. Solche Superlative zu erfüllen fällt naturgemäß schwer. Wir können nur sagen, dass wir das Ergebnis im neogotischen Stil sehr schön fanden. Gegenüber befindet sich ein ebenso beeindruckendes Gebäude, das Wrigley Building. Noch heute befindet sich hier der Hauptsitz des Kaugummi-Konzerns.

Weil es auf dem Weg lag, gingen wir auch noch zur Touristeninfo im Cultural Center der Stadt, um vielleicht noch ein paar Insidertipps zu bekommen. Das Gebäude an sich ist schon einen Besuch wert. Die große Glaskuppel aus Tiffanyglas ist absolut sehenswert. Am Ende unseres Stadtspaziergangs stand der Millennium-Park. Der 2004 eröffnete Park entstand auf einem ehemaligen Bahnhofsgelände und befindet sich zusammen mit dem Grant Park am Ufer des Michigansees. Das Besondere an diesem Park - passend zu Chicago - ist seine Kombination aus Kunst und Architektur. Hauptattraktion, zumindest bei den Touristen, ist das „Cloud Gate“, so der offizielle Name. So nennen aber nur die Wenige diese etwa 10m hohe und 20m breite Skulptur. Eigentlich sprich fast jeder von „The Bean“, der Bohne, entsprechend ihrem Aussehen. Im Mittelpunkt des Parks steht der Jay-Pritzker-Pavillon, eine der modernsten Freilichtbühnen der Vereinigen Staaten. Wir ruhten uns ein wenig aus und verfolgten das Geschehen auf der Bühne. Es wurde gerade „The Balloon Man“ aufgeführt. Leicht verdauliche Kost, gerade richtig für den Ausklang eines schönen Sommernachmittags.

Zum Schluss machten wir noch einen Abstecher zum Ufer des Michigansees. Leider ist es hier nicht ganz so idyllisch, da eine dreispurige Straße in unmittelbarer Nähe zum Ufer entlang führt. Das ist halt Amerika. Wir hielten uns deshalb auch nicht lange auf und marschierten wieder zurück Richtung Motel. Wir waren ziemlich hungrig und beschlossen deshalb, direkt auf dem Weg etwas zu essen. Chicago ist berühmt für seine „deep-dish“-Pizza. Diese Pizza ist nicht flach, wie normale Pizzen, sonde
rn ziemlich hoch wie eine Quiche Lorraine. Der Lonely Planet empfahl uns die Pizzeria Uno. Hier soll dieses kulinarische Meisterwerk vor rund 50 Jahren auch erfunden worden sein. Nun gut, wer etwas Besonders haben möchte muss… Na was schon? Richtig, warten! Und zwar vor der Tür ungefähr 45 Minuten. Wir waren langsam am verhungern, haben es aber doch noch ausgehalten. Das Warten hat sich nur bedingt gelohnt. Wir bleiben weiterhin der normalen Pizza treu. Als Absacker gönnten wir uns noch eine Sundae Ice Cream bei dem riesigen McDonalds direkt vor unserer Haustür.


160. Tag – 25.07.2006

Heute sollte es zuerst zum Adler-Planetarium gehen, das sich auf einer Halbinsel unweit des Grant Parks befindet. Als Beförderungsmittel wählten wir den Touristen- Trolley. Wir mussten zwar einen Umweg in Kauf nehmen, dafür war die Fahrt kostenlos und wir bekamen eine schöne Stadtrundfahrt obendrein. Das Adler-Planetarium ist eines der ältesten in Nordamerika. Angeschlossen ist auch ein Astronomie-Museum.

Wir waren noch ein bisschen geschafft vom gestrigen Tag und wollten deshalb erstmal eine Vorführung besuchen. Wir wählten „Sterne der Pharaonen“. Im Sky Theater wurde mittels Projektoren auf einer Halbkugel über den Köpfen der Besucher der Beitrag der alten Ägypter zur Astronomie vorgestellt. Bestimmt sehr interessant, aber wir mussten trotzdem gegen den Schlaf ankämpfen. Die anschließende Stärkung in der Cafeteria tat uns richtig gut und wir fingen uns so langsam wieder. Den Besuch des Astronomie-Museums konnten wir jetzt besser genießen. Allerlei zur Geschichte der Astronomie, der Raumfahrt und den Planeten wurde anschaulich präsentiert. Eine Original-Raumkapsel aus dem Gemini-Programm konnte man auch besichtigen. Sah ziemlich eng aus und wirkte aufgrund der vielen manuellen Schalter etwas antiquiert. Kaum vorstellbar, das die damit zum Mond geflogen sind.

Als wir das Planetarium wieder verließen war herrlicher Sonnenschein. Direkt vorm Eingang stand eine Gruppe der Illinois State Police, die ihre neuen Harleys eingeweihten. Der Ort hierfür ist ideal, denn von hier aus hat man wohl den besten Panoramablick auf die Skyline Chicagos am Ufer des Michigansees. Kein Frage, dass wir die Chance für ein Foto zusammen mit den Harleys nutzen. Wir spazierten weiter Richtung Innenstadt, die hier „The Loop“ genannt wird. Diese ist eingeschlossen von der berühmten Chicagoer Hochbahn, die bei den Einwohnern nur kurz als „Chicago L“ bezeichnet wird. Auf unserem Weg kamen wir vorbei am Shedd Aquarium, mit dem größten Indoor-Aquarium der Welt. Die Schlange am Eingang war leider zu lang und wir hatten noch andere Pläne für den heutigen Tag. Auch für das bestimmt sehenswerte „Field Museum of Natural History“ hatten wir keine Zeit. Eine etwas längere Rast machten wir bei der Buckingham Fontaine, die Lothar ziemlich bekannt vorkam, als hätte er sie schon hunderte Male in seinem früheren Leben gesehen. Nach ein paar Minuten des Nachdenkens kam dann die Erleuchtung. Dieser imposante Springbrunnen ist in der Eingangssequenz zu Al Bundy´s „Schrecklich netten Familie“ zu sehen. Da sag´ noch einer, Fernsehen bildet nicht. Die Fontaine ist wirklich bemerkenswert und war mal die größte der Welt. Sie wird für 20 Minuten jede Stunde angestellt und erreicht eine Höhe von 46m.

Es war bereits später Nachmittag, als wir unser Ziel den Chicago River erreichten. Wir wollten eine Architektur-Bootstour machen, da man vom Fluss aus den besten Blick auf die Hochhäuser hat. Die Tour bei dem Anbieter, von dem wir gestern den Prospekt mitgenommen und auf dessen Abfahrtszeiten wir uns eingestellt hatten, fiel kurzfristig aus. Mist! Wir suchten und fanden einen anderen Anbieter. Gott sei Dank, den diese Bootstour sollte der Höhepunkt unseres Chicago-Aufenthalts werden.
Chicago wird nicht zu unrecht Architektur-Hauptstadt der Welt genannt. Es gibt in wohl keiner anderen Stadt so viele moderne und richtungsweisende Bauten, wie hier. Berühmte Architekten, wie Frank Lloyd Wright und Mies van der Rohe konnten hier ihre Vorstellungen verwirklichen. Die Tatsache, dass es hier so viele moderne Gebäude gibt, liegt u.a. auch daran, dass ein Großteil der Stadt dem schon erwähnten Großen Brand von 1871 zum Opfer fiel. Im Gegensatz zu New York, wo das gesamte Häusermeer als Einheit beeindruckt, wirkt in Chicago jeder einzelne Wolkenkratzer für sich allein. Die Fassaden und die Struktur der Gebäude sind sehr unterschiedlich. Jedes ein Meisterwerk für sich. Unsere Flusskreuzfahrt führte auch vorbei am Sears Tower, der mit seinen 442 Metern (mit Antenne sogar 527m) das derzeit höchste Gebäude der USA ist. Während der rund einstündigen Bootstour erhielten wir auch interessante und amüsante Infos zur Stadt. So erfuhren wir auch – und konnte es erst gar nicht glauben – das der Chicago River am St. Patrick’s Day, dem Nationalfeiertag der Iren, grün eingefärbt wird. Hoffentlich ist die Farbe abwaschbar.

Nach der Architektur-Tour, die wir jeden Chicago-Besucher nur ans Herz legen können, machten wir uns auf den Weg nach Hause bzw. zu unserem Motel. Unterwegs noch kurz im Internet vorbeigeschaut, ein paar Briefmarken für die Heimatpost gekauft und dann wenig spektakulär Essen gegangen. That´s all.

Noch mehr Fotos gibt´s in unserem Webalbum.

16. November 2008

Abstecher nach Kanada für die Niagarafälle

154. Tag – 19.07.2006

Wir standen recht früh auf, packten unsere Sachen und frühstückten gemütlich. Dann lösten wir unser Auto für unglaubliche 69 $ im Parkhaus aus. Bevor wir Washington verließen, gingen wir noch mal in ein Internetcafé, um einige organisatorische Dinge für unsere weitere Reise zu klären. Schlechte Nachrichten: wir hatten eine Mail von STA Travel, dass der Inka-Trail ausgebucht sei. Echt schade! Wir recherchierten noch über unsere nächsten größeren Ziele, die Niagarafälle und Chicago. Dann ging es los in Richtung Nordwesten. Ziel für heute war zunächst Lancaster, im Südosten von Pennsylvania, etwa 250 km von Washington entfernt.

Langsam fanden wir uns auch auf den Highways zurecht. Wir sind halt lern- und anpassungsfähig. Um mehr von der Landschaft zu sehen, verließen wir bald die Interstate und fuhren über Landstraßen. Die Gegend um Lancaster ist auch bekannt als Heimat der Amish, einer christlichen Religionsgemeinschaft. Die Amish sind Nachfahren von Süddeutschen und Schweizerdeutschen, die im 17. Jahrhundert nach Amerika auswanderten. Aufgrund ihres Glaubens wurden sie in ihrer Heimat zunehmend verfolgt und suchten hier ein friedliches Leben. Sie stehen dem Fortschritt sehr kritisch gegenüber. Die Amish leben traditionell nicht in Dörfern sondern auf Farmen. Innerhalb der Gemeinde und während des Gottesdienstes wird eine Art deutscher Dialekt gesprochen.

In Lancaster fragten wir in der Touristeninformation nach Unterkünften. Man empfahl uns einen „Farmstay“, also Aufenthalt auf einer Farm. Die hilfsbereiten Mitarbeiter der Touriinfo konnten uns leider kein Zimmer reservieren, da durch einen Sturm die Telefonleitungen gestört waren. Auf gut Glück machten wir uns auf dem Weg. Wir fanden die Verdant View Farm relativ gut, aber es war irgendwie nicht die Farm unserer Vorstellung, die eher vom Film „Der einzige Zeuge“ mit Harrison Ford geprägt war. Wir fanden uns auf einer Farm mit relativ modernen Maschinen außerhalb und modernen Küchengeräten innerhalb des Hauses wieder. Wir erfuhren, dass die Besitzer „Engländer“ (so werden alle Nicht-Amischen genannt) sind. Das einzig „Amische“ war die Haushälterin, die uns das Zimmer zeigte.
Es war noch früher Nachmittag und wir brachen auf, die Gegend zu erkunden. Es kamen uns einige der einspännigen Pferdekutschen (Buggys) mit Amischen entgegen. Ein Auto zu fahren ist den Amish hier verboten. Die Gegend hat sich auf die Touristen eingestellt. Es gibt viele Läden, die typische Handarbeiten wie Decken und Stickereien verkaufen. Es werden auch Quilts, die berühmten Patchwork-Steppdecken, verkauft. Im kleinen Ort Intercourse aßen wir zu Abend. Lothar probierte Sauerkraut mit Schweinefleisch, aber es schmeckte irgendwie merkwürdig – keine Ahnung warum. Wir gingen zeitig schlafen, da wir morgen bis zu den Niagarafällen wollten, ca. 560 km entfernt.


155. Tag – 20.07.2006

Bereits um 7 Uhr fuhren wir los. Leider verpassten wir dadurch ein großartiges Frühstück auf der Farm. Die Vorbereitungen dazu hatten wir noch mitbekommen. Stattdessen frühstückten wir in einem Diner, einem typischen amerikanischen Restaurant. Wir haben uns zusammen ein Frühstück geteilt: Pfannkuchen mit Ahornsirup, Rührei, Speck, Brötchen, kleine Kartoffelpuffer. Danach waren wir vollkommen satt und fragten uns, wie eine Person das allein schaffen kann.

Bis Harrisburg, der Hauptstadt von Pennsylvania, fuhren wir auf der Interstate. Die Stadt wurde vor über 20 Jahren weltweit bekannt durch das Unglück im nahegelegenen Atomkraftwerk. Wir merkten aber nichts, außer vielleicht ein leichtes Kribbeln. Ab hier wichen wir dann auf kleinere Straßen aus, so würden wir zwar langsamer vorankommen, aber mehr von der Landschaft sehen. Unterwegs machten wir öfters mal Stopp. Vor einem kleinem Supermarkt, indem wir Lebensmittel einkauften, stand ein junges Amish-Paar und verkaufte Kirschen. Sie sprachen tatsächlich eine Art Deutsch, aber wir verstanden nur ein paar Worte. Sie erzählten uns, dass im Gottesdienst deutsch gesprochen wird.

Gegen 18 Uhr begannen wir uns nach einem Motel umzusehen. Wir waren jetzt fast 12 Stunden unterwegs, unser eigentliches Tagesziel, die Niagarafälle, war aber immer noch etwa 150 km entfernt. In Eillicottville, einem kleinem Ort im Süden des Bundesstaates New York, sahen wir das Schild eines Hotels – die „Edelweiß Lodge“. Das musste ein Zeichen sein! Wir fragten an der Rezeption nach freien Zimmern und Preisen. Die Anlage war wirklich schön, aber die Zimmer etwas teuer. Schade. Wir kamen ins Gespräch mit der netten Dame an der Rezeption. Es stellte sich heraus, dass Hanni aus Deutschland stammt. Wir erzählten ein bisschen über uns und unsere Reise. Wir unterhielten uns so nett, dass sie uns schließlich fragte, ob wir nicht bei ihr übernachten wollten. Sie müsste noch bis 20 Uhr arbeiten. Wir waren von soviel Großzügigkeit erstmal überrascht, nahmen das Angebot gerne an. In der Zwischenzeit sahen wir uns die Stadt an. Es wurden gerade Vorbereitungen für ein kleines Stadtfest getroffen. Als kleines Dankeschön für die kostenlose Übernachtung wollten wir für unsere Gastgeberin kochen. Es sollte Pfannkuchen gefüllt mit Spinat und Fetakäse geben. Den Feta in einem amerikanischen Supermarkt zu finden, war eine echte Herausforderung. Hanni wohnte im nur wenig entfernten Salamanca in einem netten Häuschen. Wir kochten und unterhielten uns dabei. Hanni freute sich, mal wieder Deutsch sprechen zu können. Sie erzählte uns, dass sie vor fast 30 Jahren in die USA ausgewandert sei, um ihren Mann, einen Amerikaner, zu folgen - ohne eine Wort Englisch zu sprechen. Kurz vor dem Essen kam auch einer ihrer Söhne vorbei, der in der Nähe wohnt. Wir hatten einen sehr netten Abend zusammen.


156. Tag – 21.07.2006

Wir standen früh auf, da wir zeitig zu den Niagarafällen aufbrechen wollten und Hanni zur Arbeit musste. Die Niagarafälle liegen an der Grenze zwischen den USA und Kanada am Niagara-Fluss, etwa 140 km von Salamanca entfernt. Hanni gab uns noch Tipps, wie wir fahren sollten und sagte uns, dass die Fälle auf der kanadischen Seite beeindruckender seien. Die Überquerung der Grenze zwischen den USA und Kanada war problemlos – die Grenzer lächelten sogar! Nach unseren Erfahrungen in New York bei unserer Ankunft war das schon ein Unterschied.
Hanni hatte uns bereits gesagt, dass wir etwas vor den Fällen parken sollten. Von weitem sahen wir die Hochhäuser der kanadischen Stadt Niagara Falls, die irgendwie gar nicht zu der idyllischen Landschaft passten. Wir liefen entlang des Niagara-Flusses in Richtung der Fälle. Je näher wir den Fällen kamen, desto schneller floss das Wasser und die Zahl der Stromschnellen nahm zu. Bald konnten wir am Horizont über dem Wasser einen Dunstschleier erkennen. Schließlich standen wir am Rand vor den Fällen und konnten einen ersten Blick auf dieses beeindruckende Naturschauspiel werfen. Aus einer Höhe von über 50 m stürzt das Wasser über die Kante in die Tiefe. Durch die Gewalt des Aufpralls am Fuß der Fälle bildet sich die Nebelwolke, die man weithin sehen kann.

Um einen noch näheren Blick auf die Fälle zu werfen, nahmen wir an der „Journey behind the falls“-Tour (zu deutsch etwa „Reise hinter die Fälle“) teil. Als erstes erhielten wir ein sehr modisches gelbes Regencape. Dann ging es durch einen Tunnel zu einer Aussichtsplattform am Fuß der Fälle. Unterwegs gab es zahlreiche Schautafeln mit Informationen und Geschichten zu den Fällen. So werden die Fälle durch eine Insel geteilt, wobei die kanadischen „Horseshoe Falls“ fast doppelt so breit sind wie die amerikanischen Fälle. Im Sommer fließt fast doppelt soviel Wasser den Niagara entlang wie im Winter. Früher müssen die Fälle noch beeindruckender gewesen sein, da noch nicht ein Teil des Niagaras in Wasserkraftwerke umgeleitet und damit die Wassermenge des Flusses reduziert wurde. Es gab auch Geschichten von Menschen, die eine – gewollte oder ungewollte – Durchquerung der Fälle überlebt hatten. Als wir die Plattform erreichten, war das Getöse des Wassers ohrenbetäubend und der Anblick des herabrauschenden Wassers beeindruckend.

Wir gönnten uns ein Mittagessen mit Panoramablick auf die Fälle. Nach einem kleinen Verdauungsspaziergang machten wir uns auf den Weg in das etwa 100 km entfernte Toronto, unserem heutigen Tagesziel. Bereits an der Touristeninformation in Niagara Falls hatten wir Infos zur Stadt bekommen. Die Zimmersuche gestaltete sich nicht so einfach. Wir hatten Probleme mit dem Verkehr und den mangelnden Parkplätzen. Aber schließlich landeten wir einen Glückstreffer. Wir kamen in einem Studentenwohnheim der Victoria Universität unter. In den Semesterferien sind die Zimmer unbewohnt und werden an Touristen vermietet. Das Zweierzimmer war sauber und mit allem notwendigen eingerichtet, unser Auto konnten wir in einer Tiefgarage der Uni parken und Frühstück gibt’s morgen in der Mensa – was wollten wir mehr? Weiterer Pluspunkt: wir konnten wieder mal günstig unsere Wäsche waschen und trocknen. Wir waren mit relativ wenig Gepäck und damit Sachen zum Wechseln unterwegs. Daher nutzten wir jede Gelegenheit zum Wäschewaschen, die wir kriegen konnten. Auf Luxus wie die Wäsche nach Farben getrennt, bei verschieden Temperaturen oder gar mit verschieden Waschmitteln für Fein-, Weiß-, Buntwäsche zu waschen, hatten wir schon auf dem ersten Teil verzichtet. Alles in eine Maschine, Waschpulver drauf, 30 Grad einstellen und los.

Den restlichen Nachmittag erkundeten wir Toronto. Zunächst wanderten wir über das Universitätsgelände. Viele der altehrwürdigen Gebäude stammen aus der Gründungszeit Torontos. Dann gingen wir entlang der Yonge Street in Richtung Ontariosee. Die Straße, die von Toronto bis in den tiefen Norden der Provinz Ontario reicht, ist mit fast 2.000 km eine der längsten Amerikas. Wir kamen vorbei am Eaton Center, einem der größten Einkaufszentren Kanadas, der „Hockey Hall of Fame“ (Eishockey ist der Nationalsport in Kanada) und der architektonisch beeindruckenden Lambert Galleria. Schließlich standen wir vor dem CN Tower, der mit 553 m eines der höchsten Gebäude der Welt ist. Gleich neben dem CN Tower befindet sich das Rogers Centre, eine riesige Sportarena. Da lief gerade ein Baseballspiel, die heimischen Blue Jays gegen die New York Yankees. Man sagte uns, dass Spiel sei bereits im fünften Inning. Da wir eh keine Ahnung von Baseball hatten, war uns das egal. Wir wollten nur mal gucken und die Atmosphäre kennenlernen. Wir fanden das Spiel recht langweilig, die meiste Zeit standen die Spieler aus unserer Sicht nur herum und nix passierte. Aber die Fans waren alle sehr aufgeregt. Die Regeln wissen wir immer noch nicht, aber es war eine interessante Erfahrung.


157. Tag – 22.07.2006

Nach einen guten Frühstück in der Mensa machten wir uns trotz leichtem Regen auf den Weg zum CN Tower. Wir konnten Toronto nicht verlassen ohne dort oben gewesen zu sein. Als wir nach langem Warten endlich oben ankamen, waren wir etwas enttäuscht. Die Aussicht war wegen des Wetters nicht so toll. Dann begann es auch noch richtig heftig zu regnen.

Gegen 14 Uhr brachen wir in Richtung Detroit auf. Bei London verließen wir die Interstate, um auf einer kleineren Landstraße weiterzufahren. Es ist schon witzig, durch kleine Orte mit großen Namen zu fahren. So haben wir ja gestern schon Hamburg passiert, heute dann London und Delhi. Die Straße führte teilweise kilometerlang immer schnur geradeaus. Wir kamen an vielen Farmen und riesigen Maisfeldern vorbei. Manchmal konnten wir den Eriesee sehen. Wir übernachteten heute im günstigen Silver Motel in Blenheim, etwa 300 km von Toronto entfernt. Nach dem Essen schauten wir uns die Route für die nächsten Tage genauer an. Wir stellten fest, dass wir das Tagespensum wohl falsch eingeschätzt hatten. Da der Abflugtermin von San Fransisco fix war, mussten wir uns diszipliniert an unseren Plan halten. In den letzten Tagen hatten wir etwas gebummelt und wollten das in den nächsten Tagen aufholen. Es kommen anstrengende Fahrtage auf uns zu.


158. Tag – 23.07.2006

Wir brachen früh auf. Immer parallel zum Eriesee ging es auf einer schönen Strecke Richtung Detroit. Nach etwa einer Stunde erreichten wir Wheatley, wo wir erstmal frühstückten. Wir machten einen Abstecher zum Eriesee, der wirklich riesig ist und fast wie ein Meer wirkt. Schließlich erreichten wir bei Detroit die Grenze zwischen Kanada und den USA. Die Grenzer bombardierten uns mit Fragen: wohin wir wollen, warum, wieso, weshalb. Dabei hatten wir doch schon ein Visum! Wirkte alles ziemlich unfreundlich und unentspannt. Willkommen in den USA.

Durch den US-Bundesstaat Michigan ging es weiter in Richtung Chicago. Unterwegs versuchten wir, telefonisch ein Zimmer in Chicago zu reservieren, aber wir hatten kein Glück. Kurz vor Chicago war eine Touristeninformation ausgeschildert. Dort war man sehr hilfreich, stattete uns mit einem Stadtplan von Chicago aus und empfahl uns eine Fahrtroute. Leider konnten sie kein Zimmer für uns buchen, da wir uns noch im Staat Indiana befanden und Chicago in Illinois liegt. Toll. Trotz der Empfehlung gerieten wir in einen Stau. Nach einer halben Ewigkeit erreichten wir doch noch das Zentrum von Chicago und fanden sogar die Touristeninformation – aber leider keinen Parkplatz. Schließlich fanden wir ein Parkhause, 14 $ die Stunde. Dagegen sind die Preise in deutschen Parkhäusern echte Schnäppchen. Zu Fuß ging es zurück zur Touristeninfo, die gerade zu gemacht hatte. Super Timing. Aber wir gaben nicht auf und fanden das „Ohio House Motel“. Das Zimmer war ganz O.K. und wir konnten unser Auto sicher und umsonst parken. Wir bekamen das letzte freie Zimmer. Super Timing! Wir zogen noch mal los, um das abendliche Chicago zu erkunden. Direkt neben dem Motel steht der größte McDonalds-Laden, den wir je gesehen haben. Der riesige gelben McDonalds-„Torbogen“, fast so groß wie der Gateway Arch in St. Louis, ist nicht zu übersehen. Daneben ist übrigens das Hardrock-Café von Chicago. Bei unserer Rückkehr ins Motel, kamen wir mit dem älteren Herrn an der Rezeption ins Gespräch. Er erzählte uns, dass seine Mutter aus Sossenheim, einem Stadtteil von Frankfurt, stammt. Tja, die Welt ist klein. Überhaupt haben wir bisher festgestellt, dass scheinbar jeder Ami entweder Vorfahren aus Deutschland hat oder während seiner Armee-Zeit in Deutschland stationiert war.

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